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  • von Thomas Heckmann

VegMed 2013

Verzahnung von Forschung und Praxis standen im Mittelpunkt

Impressionen von der Fachkonferenz "VegMed 2013" zu Medizin und vegetarischer Ernährung in Berlin am 17. November 2013. © Foto: Vegetarierbund Deutschland e.V.
Impressionen von der Fachkonferenz "VegMed 2013" zu Medizin und vegetarischer Ernährung in Berlin am 17. November 2013. © Foto: Vegetarierbund Deutschland e.V.

Am 17. November kamen in Berlin zum zweiten Mal die führenden Ernährungsforscher und Mediziner auf dem VegMed zusammen. Europas bisher einzigartiger wissenschaftlicher Fachkongress zur vegetarischen Ernährung in der Medizin wurde von der Carstens-Stiftung finanziert und zusammen mit der Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin und dem Vegetarierbund Deutschland organisiert und war ein voller Erfolg.

Mit 250 Teilnehmern war die Veranstaltung wie schon 2012 vollständig ausgebucht. Videos der Vorträge sind in Kürze kostenlos auf www.vegmed.de verfügbar.

Status quo: medizinischer Nutzen vegetarischer Ernährungskonzepte

Als Neuheit präsentierte sich der VegMed in diesem Jahr zweigleisig. Zum einen wurde der Stand der Forschung in wissenschaftlichen Vorträgen diskutiert. So berichtete Prof. Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung den wissenschaftlichen Stand aus Sicht der Epidemiologie. Die Daten verdichteten sich, dass das Risiko für Übergewicht und chronische Erkrankungen, wie Bluthochdruck, Koronare Herzerkrankung oder Typ-2-Diabetes und möglicherweise sogar einige Krebserkrankungen durch das Meiden von Fleisch und tierischen Produkten reduziert werden könne. Unklar sei jedoch weiterhin, ob die vegetarische Ernährung hierbei der einzig relevante Faktor ist, oder ob noch andere Aspekte des Lebensstils wichtige Rollen spielen.

"Wir sollten die vegetarische oder vegane Ernährung nicht isoliert betrachten", bestätigte Prof. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus, "aber sie ist eine kaum mehr wegzudenkende Säule ganzheitlicher Behandlungskonzepte." Michalsen hob den chronischen Stress der heutigen Zeit als Ursache vieler Zivilisationserkrankungen hervor und stellte eineWechselwirkung mit dem Essverhalten heraus. Chronischer Stress führe nicht nur zu einer verminderten Nährstoffaufnahme, sondern auch zu einem Verlangen nach fett- und zuckerreichen Speisen mit negativen Auswirkungen auf den Organismus. Im Sinne der Mind-Body-Medizin sollten daher stressabbauende Maßnahmen wie Bewegung und Entspannung mit der pflanzenbetonten Ernährung kombiniert werden.

Eine häufige Frage im Zusammenhang mit Vegetarismus ist diejenige nach der ausreichenden Versorgung mit Vitamin B12. Dr. Markus Keller, Leiter des Institutes für alternative und nachhaltige Ernährung zeigte in seinem Vortrag sowohl Risiken, als auch Möglichkeiten zum Vermeiden einer Mangelsituation auf. Prof. Michael Krawinkel vom Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen beleuchtete das Thema "Gesunde Kinderernährung unter vegetarischen Vorzeichen". Es sei sehr wichtig, dass die Nahrung den Energie- und Nährstoffbedarf des wachsenden Organismus deckt – um dies sicherzustellen, sollten Familien, die ihre Kinder vegetarisch ernähren, fachkundige Ernährungsberatung in Anspruch nehmen.

Zeitgemäß essen – eine Herausforderung, die sich lohnt

Wie aber sollte eine moderne Ernährungsberatung aussehen, um das präventive und therapeutische Potential einer pflanzenbetonten Ernährung am besten in die Praxis umzusetzen? Dieser Frage ging der VegMed 2013 in einem parallelen Workshop-Programm nach. So berichtete etwa Christiane Bürger von Erfahrungen aus ihrer veggiefreundlichen Praxis in Berlin. Noch immer seien Vegetarismus und Veganismus mit zahlreichen Vorurteilen belegt, die es abzubauen gelte.

Dr. Doris Zollner, Gesundheits-Psychologin und Diätologin aus Österreich sensibilisierte dafür, sich in den individuellen Menschen hineinzuversetzen. Um Patienten in der Veränderung ihrer Gewohnheiten zu unterstützen sei es wichtig, nicht das Erleben eines Verzichts in den Vordergrund der Ernährungsberatung zu stellen. Vielmehr sollte der Gewinn von Gesundheit und Leistungsfähigkeit dem Patientenpersönlich erlebbar gemacht werden. Nur so könne er eine eigene innere Kompetenz entwickeln, die Herausforderung "zeitgemäßes Essen" zu meistern.

Ein Ort, um die positiven Auswirkungen vegetarischer Ernährung an sich selbst zu erleben, könnte zukünftig das Krankenhaus sein. Denn dort, wo die Menschen am meisten von nährstoffreichem gesundem Essen profitieren, ist oftmals kein Angebot vorhanden. Auf dem Abschlusspodium kamen Referenten und Plenum zu dem Schluss, dass die vermehrte Einführung verlockender vegetarischer und veganer Menüs in die Krankenhausküche, aber auch in Mensen und Kantinen eine lohnenswerte Strategie zur Verbreitung gesunden Essverhaltens darstellen könnte. Kontrovers diskutiert wurde die Frage, welche Rolle die Ethik für die medizinische Bewertung vegetarischer Ernährung spielt.

Fazit und Ausblick

Mit 250 Teilnehmern war der VegMed erneut restlos ausgebucht. Unter den Besuchern befanden sich nicht nur Ärzte, Ernährungswissenschaftler und -berater. Ebenso werden rund 70 Medizinstudierende das erworbene Wissen in die zukünftige Patientenversorgung tragen.

Damit diese mittelfristig noch effektiver gestaltet werden kann, wäre eine breitere Forschungsförderung zur pflanzenbetonten Ernährung dringend notwendig. Staatliche und industrielle Wissenschaftsförderung halten sich in diesem Bereich bislang eher zurück. Dabei gibt es nicht nur eine lange Tradition der vegetarischen Ernährung, sondern auch eine medizinhistorisch zunehmende Verdichtung des Wissens zur medizinischen Wirksamkeit, wie Prof. Claus Leitzmann, ehemaliger Leiter des Gießener Instituts für Ernährungswissenschaft, hervorhob.

Dr. Markus Keller resümiert: "Der Kongress zeigt, dass es schon sehr viele wissenschaftliche Daten zur vegetarischen Ernährung gibt, die vor allem die positiven gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen dieser Ernährungsform aufzeigen. Der Grundstein ist gelegt. Dennoch bestehen noch viele Forschungslücken, insbesondere zur veganen Ernährung, aber auch zur vegetarischen Ernährung bei Kindern, Jugendlichen, Schwangeren, Stillenden und Sportlern. An klugen Köpfen, die hier in Deutschland weiter forschen können und wollen, mangelt es nicht – aber entsprechende Mittel werden dringend gebraucht."

Pressemitteilung Carstens-Stiftung
Michèl Gehrke, M.A., Stabsstelle Kommunikation und Medien, Tel.: 0201 / 56305 61, eMail: m.gehrke@carstens-stiftung.de
20.11.2013
06.03.2024, 15:44 | vth
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