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Universitätsmedizin Mainz
Boehringer-Ingelheim-Preis 2014 - 99. und 100. Preisträger ausgezeichnet
Ute Distler optimierte ein Verfahren zur qualitativen und quantitativen Proteinanalyse, welches die Grundlage ist, um wichtige biologische Prozesse aufzuklären. Julia Weinmann-Menke identifizierte einen neuen Biomarker, der erstmals schon Monate im Voraus eine Prognose über einen bestimmten Krankheitsverlauf bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes erlaubt.
„Die in diesem Jahr ausgezeichneten Preisträgerinnen repräsentieren das breite Spektrum der medizinischen Wissenschaft an der Universitätsmedizin Mainz in idealer Weise – spannen sie doch den Bogen von der Weiterentwicklung von state-of-the Art Analysemethoden in der medizinischen Grundlagenforschung hin zu anwendungsbezogener klinischer Forschung“, so Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann, Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Mainz. „Dies ist ganz im Sinne der Ausrichtung unseres Forschungsprofils auf die translationale Medizin – also die Übertragung von Forschungsergebnissen aus der medizinischen Grundlagenwissenschaft in die klinische Anwendung.“
Entsprechend der herausragenden Bedeutung und der langen Tradition des Preises, der seit 45 Jahren an nunmehr 100 Nachwuchswissenschaftler vergeben wurde, gab es bei der diesjährigen Preisverleihung eine besondere Neuerung: den Festvortrag von Prof. Dr. Peter Krammer vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg zum Thema Zelltod mit dem Titel „Decisions of Life and Death“. Professor Krammer ist einer der meistzitierten Forscher im Bereich der Lebenswissenschaften. „Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, mit Professor Krammer einen so renommierten Wissenschaftler für den Festvortrag bei der diesjährigen Verleihung des Boehringer-Ingelheim-Preises zu gewinnen“, betonte Otto Boehringer, Vorsitzender des Vorstands der Boehringer Ingelheim Stiftung. „Es ist unser Anliegen, exzellente Wissenschaft nachhaltig zu fördern. Und das beginnt mit der Unterstützung engagierter und motivierter Nachwuchsforscherinnen und -forscher, so wie wir es seit vielen Jahren unter anderem mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis machen.“
Den Boehringer-Ingelheim-Preis 2014 überreichten Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann und Otto Boehringer gemeinsam mit Prof. Dr. Klaus Dugi, Leiter der Medizin der Boehringer Ingelheim GmbH.
Einzelheiten zur Arbeit von Dr. Ute Distler (Jahrgang 1981):
Dr. Ute Distler vom Institut für Immunologie ist es gelungen, eine bestimmte Analysemethode im Bereich der Massenspektrometrie derart zu optimieren, dass hochkomplexe biologische Proben mit höherer Effizienz analysiert werden können. Bei diesen Proben handelt es sich um komplexe Mischungen zahlreicher Proteine, die eine der wichtigsten Gruppen von biologischen „Bau- und Werkstoffen“ darstellen. Fast alle Prozesse, die in den Zellen lebender Organismen ablaufen, beruhen auf der Wirkung und dem Zusammenspiel von Proteinen. Zur Aufklärung komplexer biologischer Vorgänge ist es daher von besonderer Bedeutung, beteiligte Proteine schnell und zuverlässig zu identifizieren und deren Menge zu bestimmen.
Hierzu ist vor allem die Massenspektrometrie die Methode der Wahl. Zur Analyse werden die Proteine enzymatisch in sogenannte Peptide zerkleinert. Diese werden im Massenspektrometer basierend auf ihrem Verhältnis von Masse zu Ladung und der damit verbundenen unterschiedlichen Flugzeiten im Hochvakuum getrennt. Neue kommerzielle Geräte kombinieren die eigentliche Massenspektrometrie mit der sogenannten Ionenmobilitätstechnologie, die Größe und Form der Moleküle zur Auftrennung nutzt. „Durch diese zusätzliche ‚Trenndimension‘ erhalten wir völlig neue analytische Möglichkeiten“, berichtet die Preisträgerin, Dr. Ute Distler. „Im Rahmen meiner Forschungsarbeiten ist es mir nun gemeinsam mit meinen Kollegen am Institut für Immunologie gelungen, die bestehende Methode durch Veränderung verschiedener Geräteparameter grundlegend und gezielt zu optimieren. Mit Hilfe der neuen Methode können wir jetzt über 4.400 Proteingruppen in Tumorzellen in einer einzigen Analyse mit einer Messzeit von 200 Minuten identifizieren. Im Vergleich zur ursprünglichen Methode sind wir somit in der Lage in der gleichen Zeit bis zu 47 Prozent mehr Proteingruppen zu identifizieren – dies ist ein enormer Fortschritt.“
Neben der rein qualitativen Identifizierung von Proteinen ist in den letzten Jahren vor allem auch die quantitative Analyse des Proteoms mittels massenspektrometrischer Methoden in den Fokus des Interesses gerückt, also die Frage wieviel eines bestimmten Proteins in einer Zelle vorliegt: So können die Wissenschaftler sehr gut dynamische Prozesse, die in einer Zelle ablaufen, erfassen. Dazu nutzen sie im aktuellen Fall die sogenannte „label-freie“ Quantifizierung, für die der Ko-Autor der entsprechenden Publikation (s.u.) eine eigene Software entwickelt hat. Die „label-freie“ Variante hat dabei den Vorteil, dass vor der eigentlichen Analyse keine aufwändige chemische Markierung der Proteine – das sogenannte „Labeln“ – nötig ist.
„Durch die wesentlich verbesserte Identifikationsrate und die Möglichkeit zur quantitativen Charakterisierung der identifizierten Proteine bildet unsere optimierte Analytik-Plattform die Grundlage, um hochkomplexe Proteinproben schnell und effizient zu analysieren“, resümiert Ute Distler. „Sie leistet somit einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung verschiedenster biologischer Prozesse – wie wir bereits bei verschiedenen konkreten Forschungsfragen zeigen konnten. Beispiele sind die Bestimmung der Proteinzusammensetzung der postsynaptischen Dichte im Hippocampus, einem Netzwerk von Proteinen, das bei Signalübertragung zwischen Nervenzellen eine wichtige Rolle spielt, oder die Charakterisierung der Proteinhülle auf der Oberfläche von Nanopartikeln nach Kontakt mit Blutserum – was bei einem zukünftigem Einsatz von Nanopartikeln in der Medizin von Bedeutung ist.“
Die optimierte Messmethode ist eingebettet in die Technologieplattformen „Quantitative Proteomanalytik“ des Forschungszentrums für Immuntherapie (FZI) und „ProTIC“ des Forschungszentrums Translationale Neurowissenschaften (FTN) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die aktuellen Ergebnisse wurden in der renommierten Zeitschrift „Nature Methods“ veröffentlicht.