- Forschung [+]
Krebsentstehung
Entzündungen machen Tumorzellen mobil

Bösartige Tumore breiten sich im Körper aus, indem die Krebszellen auf Wanderschaft gehen. Dazu müssen lokal wachsende Tumorzellen ihre Eigenschaften so verändern, dass sie in andere Gewebe eindringen können. Zunehmend gibt es Hinweise, dass auch Entzündungen diesen Prozess auslösen können. Eine wichtige Rolle spielt dabei der körpereigene Botenstoff Interleukin 6 (IL-6). Er wird sowohl von Immunzellen als auch von Tumorzellen freigesetzt und bindet an den Interleukin 6 Rezeptor (IL-6R) auf der Zelloberfläche. „Wir konnten nun zeigen, wie eine kurze Exposition mit IL-6 zu dauerhaften Veränderungen von Krebszellen führen kann, die zu einer erhöhten Mobilität und damit Metastasierung beitragen“, sagt Professor Heiko Hermeking, der am Pathologischen Institut der Ludwig-Maximilian-Universität in München forscht und die Studie leitete.
Mithilfe von Untersuchungen an Darmkrebszellen in der Zellkultur konnten die Wissenschaftler zeigen, dass IL-6 über eine Rückkoppelungsschleife wirkt, bei der ein extrem kurzes RNA-Molekül – die sogenannte MikroRNA-34a (miR-34a) – eine zentrale Rolle spielt. miR-34a setzt normalerweise einen Schutzmechanismus in Gang, der Tumorentstehung und Metastasierung verhindert. „Die Aktivierung des IL-6R hebelt diesen Schutz aus, indem der Faktor STAT3 aktiviert wird. Er unterdrückt das miR-34a kodierende Gen“, sagt Heiko Hermeking. „Wir konnten zudem zeigen, dass der IL-6 Rezeptor selbst durch miR-34a direkt gehemmt wird. Durch die Unterdrückung von miR-34a wird der Rezeptor daher zusätzlich verstärkt gebildet.“ So entsteht eine Feedbackschleife, die je nachdem, ob miR-34a oder IL-6 überwiegt, krebsfördernde Gene unterdrückt oder aktiviert.
Entzündungen im Körper führen zu einer vermehrten IL-6 Ausschüttung – somit können chronische Entzündungen über den neu entdeckten Signalweg zur Entstehung von Metastasen beitragen. „Dies haben wir nun zum ersten Mal im Mausmodell in vivo nachweisen können. Mäuse, die kurze RNA miR34a nicht bilden können, haben wir in Zusammenarbeit mit Professor Florian Greten vom Georg-Speyer Haus am DKTK-Partnerstandort Frankfurt untersucht. Dabei zeigte sich, dass diese veränderten Mäuse Entzündungs-induzierte Tumoren bilden, die invasiv wachsen. An menschlichen Brust- und Prostatakrebszellen konnten wir außerdem zeigen, dass die neu entdeckte Feedback-Schleife auch bei anderen menschlichen Tumorarten aktiviert ist“, sagt Heiko Hermeking. „Außerdem zeigte die Untersuchung von Tumorzellen zahlreicher Darmkrebs-Patienten, dass die Fern-Metastasierung mit der Aktivierung der Feedback-Schleife zusammenhängt.“
Der neu entdeckte Rückkoppelungsmechanismus bietet die Chance, an verschiedenen Stellen therapeutisch einzugreifen. „Neben STAT3 und IL-6, die bereits etablierte Zielmoleküle in der Tumortherapie sind, legt die neue Studie insbesondere die kleine RNA, miR-34a, als weiteres therapeutisches Ziel etwa bei der Behandlung metastasierender Darmtumore nahe. Aber auch diagnostische oder prognostische Anwendungen sind denkbar“, sagt DKTK-Wissenschaftler Heiko Hermeking.
Die Forschungsarbeiten wurden durch die Deutsche Krebshilfe und das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) gefördert.
Matjaz Rokavec, Meryem Gülfem Öner, Huihui Li, Rene Jackstadt, Jiang Longchang, Dmitri Lodygin, Markus Kaller, David Horst, Paul K. Ziegler, Sarah Schwitalla, Julia Slotta-Huspenina, Franz G. Bader, Florian R. Greten, Heiko Hermeking. IL-6R/STAT3/miR-34a feedback controls EMT, invasion and metastasis of colorectal cancer. Journal of Clinical Investigation 2014, DOI: 10.1172/JCI73531.
Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen Universitätskliniken in Deutschland. Am Kernzentrum DKFZ und den sieben Partnerstandorten Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, München und Tübingen arbeiten insgesamt zwanzig Einrichtungen zusammen. Vorrangiges Ziel der im DKTK kooperierenden Wissenschaftler und Ärzte ist es, die Ergebnisse der Grundlagenforschung möglichst rasch in neue Ansätze zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen zu übertragen. Dazu werden an allen Partnerstandorten gemeinsame Translationszentren aufgebaut. Patienten sollen für innovative Studien gemeinsam rekrutiert, Daten einheitlich erfasst und Labormethoden harmonisiert und innerhalb des Konsortiums verfügbar werden. Dafür bietet das DKTK den Partnern eine gemeinsame Infrastruktur für die Forschung. Aufgabe des DKTK ist es weiterhin, junge Mediziner und Naturwissenschaftler in der Krebsmedizin und der translationalen Krebsforschung auszubilden. Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der beteiligten Bundesländer, der Deutschen Krebshilfe und des Deutschen Krebsforschungszentrums. Es zählt zu den sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG).