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Jetzt ist es genug: Wie Gewebe ihre Größe kontrollieren
Bevor sich eine Zelle teilt, muss sie all ihre Bestandteile verdoppeln. Um die Produktion der verschiedenen benötigten Eiweiße gezielt anzukurbeln, werden zunächst die entsprechenden Bauanleitungen, die Gene, verstärkt abgelesen. So entstehen viele Boten-RNA-Moleküle, die anschließend in den Eiweißfabriken der Zelle, den Ribosomen, in Eiweiße übersetzt werden. Und auch auf dieser Ebene kann die Produktion weiter verstärkt werden: Die Boten-RNA kann häufiger übersetzt werden. Hierbei spielen „Verstärkereiweiße“ eine Rolle, die die Boten-RNA besonders fest an das Ribosom binden. „Das MCT-1 Eiweiß hatten wir hierfür schon länger im Verdacht“, berichtet Aurelio Teleman, Abteilungsleiter im DKFZ, „denn es bindet an die Boten-RNA und kommt in Leukämiezellen, die sich schnell teilen, besonders häufig vor.“ Nur wie es das schafft, wussten die Wissenschaftler bislang nicht.
In Untersuchungen an Taufliegen (Drosophila) fand Sibylle Schleich, die Erstautorin der Arbeit, heraus, dass MCT-1 gemeinsam mit einem Partner namens DENR dafür sorgt, dass bestimmte Boten-RNA-Moleküle lange genug am Ribosom haften bleiben, um ihre Übersetzung in Eiweiß zu erlauben. Speziell bei Eiweißen, die für die Zellteilung notwendig sind, und die damit auch bei Krebs eine Rolle spielen, sind die entsprechenden Boten-RNAs auf die Vermittlung durch das MCT-1-DENR-Doppelpack angewiesen. „Ohne die Hilfe des MCT-1-DENR-Komplex fallen diese Boten-RNAs nach kurzer Zeit vom Ribosom ab und werden nicht in Eiweiß übersetzt“, erklärt Schleich. Fliegen, denen entweder MCT-1 oder DENR fehlte, entwickelten sich nicht über das Puppenstadium hinaus und waren danach nicht lebensfähig. „Damit haben wir eine universale Kontrollmöglichkeit der Zelle entdeckt, die die gesamte Produktion der zellteilungs-relevanten Eiweiße betrifft“, erklärt Aurelio Teleman die Bedeutung der Arbeit. Er und seine Mitarbeiter haben den MCT1-DENR-Komplex auch in menschlichen Zellen gefunden. Damit könnte er eine interessante Angriffsstruktur für neue Krebsmedikamente darstellen.
Sibylle Schleich, Katrin Strassburger, Philipp Christoph Janiesch, Tatyana Koledachkina, Katharine K. Miller, Katharina Haneke, Yong-Sheng Cheng, Katrin Kuechler, Georg Stoecklin, Kent E. Duncan und Aurelio A. Teleman „DENR•MCT-1 Promotes Translation Reinitiation Downstream of uORFs to Control Tissue Growth“, Nature, 13401, DOI: 10.1038/nature13401
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.