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Neuroblastom
Neue Tumorbremse beim Neuroblastom entdeckt
In aggressiv wachsenden Neuroblastomen ist die Produktion des wachstumshemmenden Proteins abgeschaltet, kann aber durch bestimmte Wirkstoffe (HDAC-Inhibitoren) wiederhergestellt werden.
Neuroblastome, bösartige Tumoren, die vorwiegend bei Säuglingen und Kleinkindern auftreten, entstehen aus Zellen des embryonalen Nervensystems. Die Erkrankungen verlaufen extrem unterschiedlich. Sie können sich spontan zurückbilden, aber auch einen tödlichen Ausgang nehmen. Die besonders aggressiven Tumoren sind durch eine bis zu hundertfache Vervielfältigung des Krebsgens MYCN gekennzeichnet. „Nur etwa 20 bis 40 Prozent der Patienten mit einem Hochrisiko-Neuroblastom überleben die Erkrankung langfristig. Daher müssen wir dringend bessere Therapien gegen diese aggressive Form der Erkrankung finden, sagt die Kinderärztin Dr Hedwig Deubzer.
Seit einigen Jahren setzen Ärzte gegen verschiedene Krebserkrankungen Wirkstoffe ein, die die Aktivität der HDAC-Enzyme hemmen, sogenannte HDAC-Inhibitoren. HDAC-Enzyme sind wichtiger Teil des epigenetischen Steuersystems der Zelle. In der Kulturschale und in tumortragenden Mäusen wirken HDAC-Inhibitoren auch gegen Neuroblastom-Zellen oder bringen sie zum Ausreifen. Unter der Leitung von Hedwig Deubzer untersuchten nun Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum und im Universitätsklinikum Heidelberg, welche Gene der Neuroblastomzellen von den HDAC-Inhibitoren beeinflusst werden.
Johannes Fabian, der Erstautor der Arbeit, entdeckte, dass die stärkste Aktivitätsänderung das Gen grainyhead-like 1 (GRHL1) betrifft. Von grainyhead war bislang nur bekannt, dass es in der Entwicklung des Nervensystems von Drosophila eine wichtige Rolle spielt.
Nach Zugabe der HDAC-Inhibitoren wird GRHL1 in Neuroblastomzellen deutlich häufiger abgelesen. In Tumoren mit sehr günstiger Prognose findet sich einer hoher GRHL1 Spiegel, in Tumoren mit ungünstiger Prognose ist das Protein dagegen häufig nicht nachweisbar. Steigerten die Forscher durch molekularbiologische Tricks die GRHL1-Produktion von Neuroblastomzellen, deren Krebsgen MYCN vervielfältigt war, so drosselte dies das Zellwachstum.
Fabian und Kollegen zeigten, dass in Hochrisiko-Neuroblastomen das Krebsgen MYCN und die Histondeacetylase 3 die Produktion von GRHL1 unterdrücken. Behandlung der Krebszellen mit HDAC-Inhibitoren steigerte die GRHL1-Produktion.
„Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass GRHL1 stark antitumoral wirkt, aber durch epigenetische Mechanismen – in Kombination mit dem Krebsgen MYCN – gedrosselt wird“, fasst Johannes Fabian zusammen. „Für uns bedeutet das: Es lohnt sich, epigentisch wirkende Medikamente wie die HDAC-Inhibitoren zur Behandlung des Neuroblastoms weiter zu erforschen!“
Johannes Fabian, Marco Lodrini, Ina Oehme, Marie C. Schier, Theresa M. Thole, Thomas Hielscher, Annette Kopp-Schneider, Lennart Opitz, David Capper, Andreas von Deimling, Inga Wiegand, Till Milde, Ulrich Mahlknecht, Frank Westermann, Odilia Popanda, Frederick Roels, Barbara Hero, Frank Berthold, Matthias Fischer, Andreas E. Kulozik, Olaf Witt and Hedwig E. Deubzer: GRHL1 acts as tumor suppressor in neuroblastoma and is negatively regulated by MYCN and HDAC3. Cancer Research 2014, DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-13-1904
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.