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Prostatakarzinom
Präzisere Beurteilung von Prostatakarzinomen hilft bei der Suche nach individueller Therapie
Wird ein Prostatakrebs neu diagnostiziert, muss schnell entschieden werden, ob und welche Behandlung notwendig ist. Operation, Bestrahlung oder erst einmal abwarten, lautet dabei oft die Frage, die sich Ärzte und Patienten stellen. Wichtigstes Entscheidungskriterium ist hierbei der histologische Malignitätsgrad, genannt „Gleason Grad“. Er analysiert, wie groß unter dem Mikroskop die Abweichung von Tumorzellen zu gesunden Prostatazellen ist und gibt damit sozusagen ein Maß für die Bösartigkeit des Tumors an. Der Gleason Grad charakterisiert dabei das Wachstumsverhalten von Tumoren und damit die Prognose der Erkrankung. Bisher wurden Prostatakarzinome dabei in fünf prognostisch unterschiedliche Gruppen eingeteilt - eine sehr grobe Unterteilung, die nicht ausreichend reproduzierbar ist.
Forscher der Martini-Klinik und des Instituts für Pathologie haben nun gezeigt, dass eine „quantitative Gleason Gradierung“ mit detaillierter Angabe der prozentualen Anteile der einzelnen Gleason-Grad-Komponenten eine wesentlich feinere Voraussage der Aggressivität von Prostatakarzinomen erlaubt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift European Urology publiziert. Gegenstand der Studie ist eine Kohorte von 12.823 Patienten, bei welchen zwischen 2005 und 2014 an der Martini-Klinik des UKE die Prostata chirurgisch entfernt wurde und von denen die histologischen Präparate am Institut für Pathologie des UKE aufgearbeitet worden waren. An einem Kollektiv von 2.971 diagnostischen Prostatabiopsien der gleichen Patienten konnten Wissenschaftler weiter zeigen, dass eine detaillierte quantitative Beurteilung der Gleason-Komponenten in der Stanzbiopsie eine deutlich verbesserte Voraussage der tatsächlichen Situation in der Prostata zulässt. Dies ermöglicht eine bessere individuelle Therapieplanung.
„Eine detaillierte Angabe der prozentualen Gleason-Muster Anteile erlaubt nicht nur eine subtilere Prognosevoraussage, sondern ermöglicht es dem Urologen auch zu erkennen, ob bei Verwendung der traditionellen fünf Gleason-Gruppen ein Grenzbefund vorliegt. In solchen Fällen kann das Einholen einer Zweitmeinung zur Prostatabiopsie sinnvoll sein.“ sagt Prof. Dr. Guido Sauter, Leiter des Instituts für Pathologie im UKE.
Ähnlich sieht das Prof. Dr. Thorsten Schlomm, wissenschaftlicher Direktor der Martini-Klinik und Leiter der Studie: „Das biologische Verhalten von Prostatakarzinomen ist sehr komplex. Unser Ziel ist es, die Tumore zu identifizieren, die keine Therapie benötigen. Bisher hatten wir mit der herkömmlichen Gleason Klassifizierung nur eine Schwarz-Weiß-Einteilung. Das neue System erlaubt uns nun auch, viele Graustufen zu erkennen und eine deutlich individuellere Therapieentscheidung zu treffen. Damit können wir wesentlich mehr Patienten als bisher eine aggressive Therapie ersparen.“
Die Martini-Klinik des UKE operiert jährlich mehr als 2200 Prostatakrebs-Patienten. Seit 1992 werden die behandelten Patienten regelmäßig kontaktiert und gebeten die Klinik über den weiteren Verlauf ihrer Erkrankung zu informieren. Mehr als 90 Prozent der Patienten folgen dieser Einladung. Die aktuelle Studie zeigt, welch hohen Wert eine derartige Datensammlung für den wissenschaftlichen Fortschritt bildet. „Wir sind unseren Patienten für ihr regelmäßiges Feedback sehr dankbar. Damit ermöglichen sie uns nicht nur relevante klinische Forschung, sondern unterstützen uns auch dabei, unsere Qualität regelmäßig zu verbessern“, sagt Prof. Dr. Hartwig Huland, Gründer der Martini-Klinik und Initiator der Martini-Klinik Tumordatenbank.
Literatur:
Guido Sauter, Thorsten Schlomm et al., „Clinical Utility of Quantitative Gleason Grading in Prostate Biopsies and Prostatectomy Specimens”, European Urology, DOI: 10.1016/j.eururo.2015.10.029
Kontakt:
Prof. Dr. Thorsten Schlomm
Martini-Klinik am UKE GmbH
Martinistr. 52, 20246 Hamburg
Telefon: 040 / 7410-51307
E-Mail: schlomm@martini-klinik.de