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Uni Innsbruck
Progesteronhemmer kann Brustkrebsrisiko reduzieren
Das Risiko, an Krebs zu erkranken, hängt zum Teil von genetischen Faktoren ab: Frauen mit vererbten Mutationen in den BRCA1- oder BRCA2-Genen weisen ein erhöhtes Risiko für aggressiven Brustkrebs auf. Viele Trägerinnen dieser Mutationen – so auch die Schauspielerin Angelina Jolie, die ihre Brustamputation öffentlich thematisierte – entscheiden sich bereits in jungen Jahren für die vorbeugende chirurgische Entfernung ihres noch gesunden Brustgewebes. Das Team um Martin Widschwendter, seit März 2020 Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck und Leiter des vom Land Tirol gegründeten und in Kooperation mit der Uni Innsbruck und den Tirol Kliniken umgesetzten Instituts für Prävention und Screening (EUTOPS), hat nun erstmalig im Rahmen einer Studie die Möglichkeit einer medikamentösen Risikoreduktion ohne chirurgischen Eingriff nachgewiesen. Der Nachweis erfolgte über sogenannte epigenetische Methoden, welche auch in Zukunft zur individuellen Risikoüberwachung dienen könnte
Progesteronhemmer
„Unsere Forschungen haben gezeigt, dass Östrogen- und Progesteronspiegel bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen im Vergleich zu Frauen ohne diese Mutationen während des Menstruationszyklus erhöht sind“, erklärt Martin Widschwendter. Erhöhte Progesteronspiegel tragen zu einem höheren Brustkrebsrisiko bei. Das legte den Ansatz nahe, dass eine gezielte Beeinflussung des Progesteronspiegels das Krebsrisiko verringern könnte. „Progesteron führt zur vermehrten Teilung sogenannter Vorläuferzellen im Brustgewebe und lässt diese schneller altern. Ein vermehrter Anteil dieser häufig geteilten und gealterten Vorläuferzellen erhöht das Risiko für die Entstehung von Brustkrebs erheblich“, erläutert Widschwendter.
Epigenetisches Monitoring
Wissenschaftler*innen um den Onkologen haben eine neue epigenetische Methode entwickelt, mit der sie den Anteil dieser häufig geteilten Vorläuferzellen bestimmen und so das Brustkrebsrisiko abschätzen können. Der neue „WID-Breast 29 Index“ untersucht DNA-Methylierung in 29 Regionen unseres Genoms. Je häufiger sich Vorläuferzellen teilen, umso höher wird das Ausmaß der Methylierung in diesen Regionen – und kann im Labor einfach gemessen werden.
„Im Brustgewebe von Brustkrebspatientinnen zeigte sich dieser Index deutlich erhöht“, erklärt Martin Widschwendter. In der vorliegenden, im Fachmagazin Genome Medicine publizierten Arbeit konnten die Wissenschaftler*innen nun anhand des WID-Breast 29 Index zeigen, dass der Progesteronhemmer Mifepriston den Anteil der alten und damit gefährlichen Vorläuferzellen in der Brust von BRCA–Mutationsträgerinnen verringert und dementsprechend sehr wahrscheinlich das Krebsrisiko senkt.
„Unsere Studienergebnisse weisen darauf hin, dass eine individuelle epigenetische Risikoüberwachung unter Verwendung des WID-Breast 29 Index uns helfen könnte zu verstehen, ob einfache Strategien – wie die Einnahme von Mifepriston – das persönliche Krebsrisiko ausreichend verringern können oder ob chirurgische Maßnahmen angezeigt sind“, erklärt Martin Widschwendter.
Die Forschungsarbeiten wurden vom europäischen Forschungsförderungsprogramm Horizon 2020 und dem European Research Council gefördert und maßgeblich von der Britischen Wohltätigkeitsorganisation The Eve Appeal und dem Land Tirol unterstützt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Univ.-Prof. Dr. Martin Widschwendter
Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung
Universität Innsbruck
E-Mail: martin.widschwendter@uibk.ac.at
Originalpublikation
"Antiprogestins reduce epigenetic feld cancerization in breast tissue of young healthy women", Thomas E. Bartlett , Iona Evans , Allison Jones, James E. Barrett, Shaun Haran, Daniel Reisel, Kiriaki Papaikonomou, Louise Jones, Chiara Herzog, Nora Pashayan, Bruno M. Simões, Robert B. Clarke, D. Gareth Evans, Talayeh S. Ghezelayagh, Sakthivignesh Ponandai‑Srinivasan, Nageswara R. Boggavarapu, Parameswaran G. Lalitkumar, Sacha J. Howell, Rosa Ana Risques, Angelique Flöter Rådestad, Louis Dubeau, Kristina Gemzell‑Danielsson and Martin Widschwendter, Genome Medicine 2022. DOI: 10.1186/s13073-022-01063-5