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Universitätskinderklinik der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
Schalter für unkontrollierte Vermehrung von Leukämie-T-Zellen entschlüsselt
In einem Forschungsprojekt untersuchen Magdeburger Wissenschaftler die molekularen Mechanismen dieser unkontrollierten Vermehrung der Immun-T-Zellen bei Leukämie, um deren massive Ausbreitung im Körper zu unterbinden. Als zentraler Schalter agiert dabei ein Eiweißstoff, das Kälteschockprotein YB-1.
Die T-Zell-Leukämie (T-ALL) ist eine besonders aggressive Form der Leukämie mit ungünstiger Heilungschance. Sie wird durch T-Zellen verursacht, die sich massiv und unkontrolliert vermehren. Die Wissenschaftler der Forschungsgruppe um Prof. Dr. Monika Brunner-Weinzierl wollen daher zusammen mit Ärzten der Universitätskinderklinik Magdeburg eine Therapie entwickeln, um diese massive Ausbreitung im Körper zu unterbinden. Der erste Schritt auf diesem Weg ist es, die molekularen Mechanismen der unkontrollierten Vermehrung der Immun-T-Zellen bei dieser Leukämie aufzuklären. Im Fokus haben sie das Kälteschockprotein YB-1, das insbesondere in den entarteten Immunzellen vorkommt. Ohne diesen Eiweißstoff können sich viele Zellen nicht länger vermehren oder sterben gar.
Das Kälteschockprotein YB-1 kennen Forscher bereits aus entartetem Gewebe bei Brustkrebs. Dort ist das Eiweiß ständig im Zellkern aktiv und gilt auch als Indiz für eine ungünstige Heilungschance. Bei der Leukämie dagegen ist noch sehr wenig über die Wirkung von YB-1 bekannt – weder in gesunden T-Zellen noch in ihren entarteten Geschwistern. Seine zentrale Rolle bei der bösartigen Vermehrung des Brustkrebsgewebes lässt aber darauf schließen, dass es auch bei unkontrolliert vermehrenden T-Zellen der Leukämie eine zentrale Rolle spielen könnte.
Diesen Verdacht können die Magdeburger Wissenschaftlerinnen mit ersten Untersuchungsergebnissen untermauern: Eine Beseitigung von YB-1 in Leukämie-T-Zellen bremst deren Vermehrung dramatisch. Dr. Steffi Gieseler hat als Mitglied der Magdeburger Forschungsgruppe eine Methode entwickelt, mit der es möglich ist, an gereinigten Zellkernen die Anwesenheit von YB-1 in jedem einzelnen Zellkern von Leukämie-T-Zellen mittels Durchflusszytometrie eindeutig nachzuweisen.
Die Wissenschaftlerinnen fanden mithilfe dieser eleganten Methode bereits heraus, dass T-Zellen bösartiger Zelllinien aus Blut von jungen Patienten (5 bis 19 Jahre) verstärkt YB-1 im Zellkern tragen. Wird YB-1 gänzlich beseitigt, können sich die Leukämie-T-Zellen nicht länger vermehren. Ein durch die Wilhelm Sander-Stiftung gefördertes Projekt soll nun ermitteln, unter welchen Bedingungen und über welchen Mechanismus YB-1 in den Zellkern gelangt und wie es dort eine Vermehrung der Immun-T-Zellen auslöst. „Wenn wir die Wanderung von YB-1 in den Zellkern verhindern oder seine Aktionen im Zellkern unterbinden können, würden wir damit die Vermehrung der Leukämie-T-Zellen stoppen“, erläutert Brunner-Weinzierl die Motivation zu dem Projekt.
Wenn die Forscherinnen die Wirkmechanismen aufklären können, wollen sie in einem zweiten Schritt mit molekularbiologischen Methoden eine gezielte Manipulation des Kälteschockproteins YB-1 vornehmen, die die unkontrollierte Vermehrung der Immun-T-Zellen bei Leukämie bremsen soll. Damit könnte die Erkrankung erfolgreich zurückgedrängt werden, so die Hoffnung der Wissenschaftlerinnen. „Unser Forschungsprojekt eröffnet die Perspektive, einen ersten Baustein zu einer neuen Therapiestrategie von Leukämien bei Kindern zu entwickeln“, resümiert die Projektleiterin die Bedeutung des Vorhabens.
Ergänzende Information zum Bild: Durchflusszytometrische Messung CFSE-markierter T-Zellen.
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit rund 100.000 €. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.