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Goethe-Universität Frankfurt am Main
Warum Krebszellen trotz Sauerstoffmangel wachsen
Gesunde Zellen verlangsamen bei Sauerstoffmangel (Hypoxie) ihr Wachstum. Umso erstaunlicher ist es, dass Hypoxie ein charakteristisches Merkmal bösartiger Tumore ist. Wie es Krebszellen gelingt, das genetische Programm der Wachstumsbremse zu umgehen, berichten Forscher der Goethe-Universität und der Justus-Liebig-Universität Gießen in zwei Publikationen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Communications“.
Seit längerem ist bekannt, dass PHD-Proteine (Prolyl-Hydroxylase-Domänen-Proteine) eine Schlüsselrolle bei der Regulatoren der Hypoxie spielen. Sie kontrollieren die Stabilität der Hypoxie-induzierten Transkriptionsfaktoren (HIFs), welche die Anpassung der Zelle an Sauerstoffmangel steuern. Nun hat das Team von Prof. Amparo Acker-Palmer, Goethe-Universität, und Prof. Till Acker, Justus-Liebig-Universität Gießen, herausgefunden, dass ein spezielles PHD-Protein, PHD3, auch den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) kontrolliert.
In gesunden Zellen antwortet PHD3 auf Stress wie Sauerstoffmangel, indem es die Aufnahme des EGF-Rezeptors ins Zellinnere steuert. Durch diese Internalisierung werden die Wachstumssignale herab reguliert. „Wir haben herausgefunden, dass PHD3 als Gerüstprotein dient, an dem zentrale Adapterproteine wie Eps15 und Epsin1 binden, um die Aufnahme von EGFR in die Zelle zu fördern“, so Acker-Palmer. In Tumorzellen ist dieser Prozess aufgrund des Verlusts von PHD3 gestört. Infolgedessen wird die Internalisierung von EGFR unterdrückt, was zu einer übermäßigen Aktivität der EGFR-Signale und damit dem unkontrollierten Wachstum der Zelle führt.
Die Forschergruppe konnte zeigen, dass der Verlust von PHD3 ein entscheidender Schritt beim Wachstum humaner maligner Hirntumore (Glioblastome) ist. Die Tumorzellen werden dadurch unabhängig von den wachstumshemmenden Signalen unter Sauerstoffmangel. „Klinisch ist diese Entdeckung hochrelevant, weil sie einen alternativen Mechanismus der Hyperaktivierung des EGF-Rezeptors zeigt, der unabhängig von seiner genetischen Amplifikation ist. Therapeutisch kann er durch EGFR-Inhibitoren unterdrückt werden“, erklärt Till Acker, Neuropathologe an der Universität Gießen.
“Unsere Arbeit zeigt eine unerwartete und neue Funktion des PHD3 an der Schnittstelle von zwei brandaktuellen Forschungsgebieten: Sauerstoffmessung und EGFR-Signaling”, erklärt Acker-Palmer. „Dies beweist erneut, wie groß die Bedeutung der Rezeptor-Internalisierung in der Krebsentwicklung ist“. Diesen Zusammenhang hatte das Forscherteam bereits 2010 für die Tumor-Angiogenese gezeigt (Sawamiphak et al, Nature 2010).