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Musik unter dem Mikroskop
Wichtiger Schritt für Entwicklung medizinischer Chiplabore
Töne und Melodien entstehen durch Schwingungen mit verschiedenen Frequenzen. Ob Gitarrensaiten schwingen, die Luft in einer Flöte oder die Membran eines Lautsprechers: Die Vibrationen setzen sich durch die Luft fort und treffen auf unsere Ohren. Je höher die Frequenz – also je schneller die Schwingungen –, desto höher ist der entstehende Ton.
Forscher haben nun am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen eine Methode entwickelt, um mithilfe von Wassertröpfchen Musik zu erzeugen. Mithilfe einer starken Wechselspannung stellten die Wissenschaftler genau ein, wieviele Tröpfchen pro Sekunde durch Röhrchen in einem Kunststoffchip flossen. Diese Tröpfchenfrequenzen wandelten sie elektronisch in Töne um. Das Verfahren stellen die Forscher in dem Online-Fachjournal Scientific Reports vor.
Chips für die Medizin
Die Forschung an dem neuen Musikinstrument könnte auch ganz praktische Bedeutung bekommen. Dabei haben sich die Forscher nämlich einen Grad an Kontrolle über die Tröpfchen angeeignet, der auch für medizinische Zwecke wichtig werden dürfte: Derzeit werden neue Diagnosemethoden entwickelt, um flüssige Proben von Patienten wie etwa Blut oder DNA in Form von winzigen Tröpfchen zu untersuchen. Dafür werden sogenannte Mikrofluidik-Chips eingesetzt, wie sie auch die Göttinger Forscher verwendeten. Ein solcher Chip besteht aus einem durchsichtigen Kunststoff, durch den dünne Röhrchen verlaufen. Durch diese Röhrchen fließen Öl und Wasser. Da sich die beiden Flüssigkeiten nicht mischen, bildet das Wasser im Öl kleine Tröpfchen. „Darin kann man zum Beispiel DNA-Moleküle oder Zellen einschließen, um sie zu untersuchen“, erklärt Jean-Christophe Baret, der die Forschungsgruppe am Göttinger Max-Planck-Institut leitet.
Einfache Methode mit Tücken
Für die medizinische Diagnose muss man die Bewegungen der Tröpfchen sehr genau kontrollieren. So könnte man beispielsweise darin eingeschlossene Zellen nach bestimmten Kriterien sortieren. Das ist etwa mithilfe einer elektrischen Spannung möglich.
Um diese Methode weiterzuentwickeln, legten die Göttinger Forscher eine Wechselspannung von bis zu 1000 Volt an einen Mikrofluidik-Chip an. So entstanden winzige Wassertropfen, die mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern nur unter dem Mikroskop sichtbar sind und die sich im elektrischen Feld bewegten. Je höher die angelegte Spannung war, desto schneller folgten die Tropfen aufeinander – desto höher war also ihre Frequenz.
Die Frequenzen übersetzten die Forscher nun in Töne. Dafür fügten sie einen fluoreszierenden Stoff zum Wasser hinzu; die Tröpfchen sendeten also Licht aus, wenn man sie mit einem Laser beleuchtete. Ein Photovervielfacher wandelte das Licht in elektrische Signale um, und aus diesen erzeugte eine Soundkarte schließlich entsprechende Töne.
Der Praxistest: Ode an die Freude
Der erste Test war eine einfache Tonleiter: Dafür mussten die Forscher zunächst einmal das neue Musikinstrument „stimmen“, indem sie verschiedene elektrische Spannungen den unterschiedlichen Tonhöhen zuordneten. Als erste Melodie spielten sie die „Ode an die Freude“. Der Beginn der Beethoven-Sinfonie ist gut erkennbar, wenn er auch nicht ganz sauber intoniert wird: Die Frequenzen weichen hier und da um bis zu fünf Prozent vom Originalton ab, also etwa um einen Halbton.
Für die Ungenauigkeiten sind die mechanischen Eigenschaften des Mikrofluidik-Chips verantwortlich; das heißt, die Tröpfchen folgen nicht immer in exakt gleichem Abstand aufeinander. Auch die elektrische Spannung braucht etwas Zeit, um einen neuen Wert anzunehmen. Die Tröpfchenfrequenz ändert sich also mit einer leichten Verzögerung. Das ist in der Melodie als kurzes glissando hörbar, also eine gleitende Veränderung der Tonhöhe, bevor der endgültige Ton erreicht wird.
Ein ganzes Labor auf einem Chip
Ob das System jemals als elektronisches Musikinstrument auf die Bühne kommt, ist zweifelhaft; doch die Forscher haben gezeigt, dass man die Bewegungen von Tröpfchen mithilfe von elektrischer Spannung sehr präzise steuern kann. Das ist ein wichtiger Schritt für die Entwicklung der medizinischen Chiplabors.
Wichtig ist dabei, dass sich mit dem neuen Verfahren viele Tröpfchen auf einmal kontrollieren lassen. „Für eine Krebs-Frühdiagnose ist es beispielsweise nötig, sehr viele DNA-Moleküle eines Patienten zu untersuchen, um den Anteil an mutierter DNA zu bestimmen,“ erläutert Baret.
Erste Mikrofluidik-Chips, die sich für solche und andere Analysezwecke eignen, sind bereits erhältlich. Wenn man allerdings Proben nach bestimmten Kriterien auswählen und sortieren möchte, wird die oben beschriebene Methode interessant: Mithilfe von elektrischen Feldern könnte man beispielsweise infizierte Zellen oder mutierte DNA-Moleküle aussortieren. In Zukunft könnte ein solcher Chip ein ganzes medizinisches Labor ersetzen.
Weitere Informationen:
http://www.nature.com/srep/2014/140430/srep04787/full/srep04787.html Originalveröffentlichung in "Scientific Reports", weitere Bilder und Videos