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Interview
Krebs gemeinsam bewältigen
Inwieweit sollte der Onkologe bei der Behandlung auch die Angehörigen im Blick haben?
Wenn Angehörige – die selbst immer Helfer und Opfer zugleich sind – voller Angst, Sorge und Ohnmacht erschöpft „zusammenklappen“, an sich selbst zweifeln, sich aufreiben, sich die bitter nötige Hilfe nicht gönnen, in der meist sehr zurückgenommenen Selbstfürsorge Schuld empfinden und sich letztlich selbst verausgaben, dann ist es gut, wenn der Arzt diese „Falle“, diese Gefahr, im Blick hat, d.h. erkennt, anspricht und handelt. Handeln kann er, indem er Hilfe für die Angehörigen anbietet, sei es in Form des Hinzuziehens weiterer Helfer, z.B. Angehörigen-Gruppen, Psychotherapeuten etc. oder in der Art, dass er selbst die Angehörigen zu einem ruhigen Gespräch einlädt, Wissen vermittelt, Rückhalt gibt. Ziel ist die Stabilisierung der Patienten und deren Helfer, damit das Gesamtsystem Halt gibt.
Inwieweit profitieren Arzt und Patient, wenn die Angehörigen versuchen, ihre Ressourcen zu stärken?
Das Gesamtsystem wird gestärkt, wenn Angehörige so leben und so mit der Erkrankung des Patienten umgehen lernen, dass sie ihre eigene psychische und körperliche Gesundheit erhalten. Für den Angehörigen geht es darum, nicht in eine Verausgabungsfalle zu geraten, selbst zu straucheln und dann – für den Patienten unberechenbar – aus der eigenen inneren Not heraus impulsiv, aggressiv oder mit depressiv-gefärbtem Rückzug zu reagieren. Ein verlässlicher, emotional stabiler Helfer mit möglichst vielen Ressourcen – und das meint nicht den omnipotenten Helfer – ergänzt das Team aus Ärzten und Patient. Dadurch wird er Kontaktbrücke zwischen Arzt und Patient. Das ist für alle gut: Patient, Arzt und Angehörigen.
Warum sollten Ärzte, die in der onkologischen Regelversorgung tätig sind, Ihr Buch kennen?
Die Onkologie ist eine der medizinischen Fachgebiete, in denen der Arzt den Patienten über eine längere Zeit und/oder immer wieder begegnet. Er baut eine engere Beziehung zum Patienten auf als dass dies z.B. bei Chirurgen in der Regel der Fall ist. Im Gespräch mit den Patienten, aber auch den Angehörigen, kann er Gutes bewirken, wenn er über die rein körperliche Seite seiner Behandlungsstrategie hinausgeht. Ein Miteinander von Patient zu Angehörigen, das Gefühle, Bedürfnisse, Bedenken, persönliche Werte und persönliche Grenzen beachtet, fördert Lebens- und Beziehungsqualität. Zweifel anzusprechen, Lösungen im Kleinen und Konkreten zu finden, reduziert Ängste und bricht ein – oft quälendes – Schweigen.
Dem Onkologen ist der Ratgeber „Krebs gemeinsam bewältigen“ daher eine gute Anregung, welche Bewältigungsstrategien er den Patienten und deren Angehörigen anbieten kann – und sei es nur in der Form, dass er das Buch selbst gelesen hat und – wenn er mit den Inhalten konform geht – es seinen Patienten und deren Angehörigen empfiehlt. Er kann natürlich auch weitergehen und einzelne Themengebiete auswählen, ansprechen, Tabus brechen, Bewältigungsstrategien anbieten.
Das Interview führte Stefanie Albert
Dipl.-Psych. Dr. Katja Geuenich
ist leitende Psychologin, Leiterin der Akademie für Psychosomatik in der Arbeitswelt sowie Leiterin der Projektgruppen Psychoonkologie und Schmerzpsychotherapie der Röher Parkklinik in Eschweiler. Die erfahrene Psychoonkologin betreut täglich Patienten und deren Angehörige und hat sich auch als Autorin u.a. des vielbeachteten Fachbuchs „Akzeptanz in der Psychoonkologie“ und des Patientenratgebers „Achtsamkeit und Krebs“ einen Namen gemacht.
Buch von Dr. Geuenich zum Thema:
Dipl.-Psych. Dr. rer. nat. Katja Geuenich: Krebs gemeinsam bewältigen
Wie Angehörige durch Achtsamkeit Ressourcen stärken
Mit einem Geleitwort von Monika Keller
Zusätzlich online: ausdruckbare Übungsbögen
2014. 190 Seiten, 15 Abb., 4 Tab., 27 Übungsbögen zum Download, kart.
€ 19,99 (D) / € 20,60 (A)
ISBN 978-3-7945-2989-6
Achtsamkeit – der Schlüssel, um gemeinsam die Krankheit zu bewältigen
Die Diagnose Krebs erschüttert. Die Belastungen, Ängste, das Wechselspiel der Gefühle fordern jedoch nicht nur die Patienten – auch Partner, Familie und Freunde kommen im Verlauf der Erkrankung immer wieder an den Rand ihrer Belastbarkeit.
Auch die Helfer benötigen daher Hilfe, Unterstützung, Entlastung. Was dem Einzelnen konkret hilft, ist aber von Mensch zu Mensch verschieden. Hier setzt der Ratgeber von Katja Geuenich an: Die erfahrene Psychoonkologin zeigt Wege auf, wie die Helfer sich immer wieder „in Kontakt mit sich selbst“ und mit dem Patienten bringen können – denn Selbsthilfe und Hilfe für den Patienten gehen Hand in Hand.
In fünf aufeinander aufbauenden Schritten – jeweils an Beispielen erklärt, durch Übungen unterstützt – erlernen Angehörige und Freunde, wie sie den gemeinsamen Weg mit dem Betroffenen bewältigen können, ohne sich selbst zu vernachlässigen und ohne eigene Ressourcen gänzlich aufzubrauchen.