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33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS)
Mammographiescreening 2013: Fortschritte und Grenzen
Trotz der durch viele Faktoren steigenden Zahl an Mammakarzinomen sinkt in den westlichen Ländern die Mortalität am Mammakarzinom. Unbestreitbar gilt weiterhin: Die Überlebenschancen und die Möglichkeit zu schonender Behandlung wachsen je früher Brustkrebs entdeckt wird. Erstmalig wurden Ende 2012 die wichtigen internationalen Daten durch eine vollständig unabhängige Expertenkommission (1) überprüft und evaluiert. Hierbei bestätigt sich:
Durch regelmäßige Screeningteilnahme ist eine signifikante Senkung der Sterblichkeit am Brustkrebs für die Screening-Teilnehmerin zu erwarten. In randomisierten Studien mit ca. 70% Teilnahme ergab sich eine Reduktion der Sterblichkeit von 20%. Dieses entspricht für tatsächliche Teilnehmerinnen einer Reduktion um ca. 30%. Diese Ergebnisse beruhen auf den sichersten verfügbaren Daten, denen der ca. 30 Jahre alten randomisierten Studien (1). Die von der britischen Regierung berufene unabhängige Expertenkommission weist darauf hin, dass technologische Fortschritte der Mammographie hierbei noch gar nicht berücksichtigt sind. Sie bestätigt auch, dass das Screening ein unabhängiger Faktor zur Senkung der Sterblichkeit ist. Die Fortschritte der Therapie wirken unabhängig hiervon auf die Sterblichkeitssenkung. Beides bleibt weiterhin unverzichtbar. Neueste Daten aus 18 Screeningländern besagen sogar, dass bei qualitätsgesicherten Programmen des europäischen Screenings eine 43%ige Mortalitätsreduktion erreicht wird.
Jede medizinische Maßnahme hat auch mögliche Risiken. Am besten sind Vor- und Nachteile zu erklären, wenn man vergleicht, was bei heute 1000 „brustgesunden“ Frauen zu erwarten ist, wenn sie 20 Jahre am Screening teilgenommen haben/ oder nicht (1, 2):
Sie unterziehen sich 10.000 Screeningmammographien. Ca. 4% der gescreenten Frauen werden für zusätzliche Bildgebung (ergänzende Spezialaufnahmen, gezielte sonographische Untersuchung) nochmals eingeladen. Das bedeutet, dass 400 Frauen durchschnittlich einmal in 20 Jahren zusätzlich untersucht werden. Davon wird ca. 100–150 Frauen eine Gewebebiopsie (meist Nadelbiopsie) empfohlen. Bei 55–70 dieser Frauen wird ein Brustkrebs gefunden. Während von den 1000 Frauen im Zeitraum von 20 Jahren also ca. 70 Frauen erkranken, werden ca. 55 der Brustkrebserkrankungen im Screening gefunden. Bei 15 gelingt dieses (aus verschiedenen Gründen) leider nicht. Sie treten „im Intervall“, also als sog. Intervallkarzinome auf. In der gescreenten Gruppe erfahren 4–14 Frauen (Berechnungen von Euroscreen bzw. vom britischen Expertenpanel) mehr als in der ungescreenten Gruppe von ihrem tatsächlich existierenden Brustkrebs. Die Frau erfährt von ihrem Brustkrebs und wird entsprechend seinem frühen Tumorstadium und der geringen Aggressivität in der Regel schonend behandelt. Die Diagnose und schonende Behandlung nutzt ihr aber –retrospektiv gesehen – deshalb nicht, da der Brustkrebs noch so langsam wächst, dass sie ohne Screening an einer anderen Todesursache verstorben wären, bevor ihr Brustkrebs entdeckt worden wäre. (Das sind sog. Überdiagnosen. Bei welcher einzelnen Frau nun durch frühe Entdeckung das Leben gerettet werden kann, sie einen anderen Vorteil von der früheren Entdeckung hat (z.B. schonendere Behandlung) oder ansonsten vor Entdeckung an anderer Todesursache verstorben wäre, ist naturgemäß nicht vorherzusagen. Wichtig ist, dass sog. Überdiagnosen besonders früh entdeckter Brustkrebs mit günstiger Prognose ist, der deshalb auch nur selten aggressiv behandelt werden muss. Alle Aussagen zu sog. Überdiagnosen sind aufgrund der internationalen Datenlage höchst unsicher und haben wissenschaftlich damit die niedrigste Evidenzstufe. Das gilt insbesondere auch für Extremwerte, die von Screeningkritikern verbreitet wurden. Insgesamt versterben 19 der 70 erkrankten Frauen bzw. der heute 1000 „brustgesunden“ Frauen an einem Brustkrebs, der zwischen 50-69 diagnostizierbar ist/wäre. 6–9 dieser Leben können (nach internationaler Datenlage) durch die regelmäßige Teilnahme am Mammographiescreening gerettet werden. Das entspricht jährlich in Deutschland ca. 3000 Frauenleben. Viele der 70 erkrankten Frauen profitieren von der früheren Entdeckung durch schonendere Behandlung (Vermeidung von Chemotherapie und/oder schwerwiegenden Achselhöhlenoperationen, mehr Brusterhaltung).
Nach den bisher verfügbaren Daten zeigt das deutsche Mammographiescreening eine hohe Qualität. Bis 2010 wurden bereits 35000 Brustkrebserkrankungen gefunden. Der Großteil der Erkrankungen (d.h. 75–80%) wurde in günstigem Stadium, d.h. ohne Lymphknotenbefall, gefunden. Fast 50% sogar in sehr günstigem Stadium (als Vorstadium oder mit einer Größe unter 1 cm). Das deutsche Programm ist flächendeckend mit digitaler Mammographie ausgestattet und verfügt als erstes Programm über alle modernen minimal-invasiven Biopsie-Verfahren zur schonenden und ambulant durchführbaren Gewebsanalyse. Erste Berechnungen der tatsächlichen Mortalitätsevaluation sind naturgemäß nicht vor 2019 möglich. Die korrekte Einschätzung setzt nämlich ein flächendeckend etabliertes Programm, eine ausreichende Nachkontrollzeit (zur vollständigen Erfassung der z.T. um Jahre später diagnostizierten Karzinome der nicht gescreenten Gruppe) voraus. Zudem erfordert die Erfassung der Karzinome und der Abgleich der Krebsregister weitere ca. 2 Jahre.
Fazit: Frühe Erkennung ist sinnvoll und leistet neben verbesserten medikamentösen Therapien einen wichtigen Beitrag zu besseren Überlebenschancen und besserer Lebensqualität, auch wenn ein Brustkrebs diagnostiziert wird.
Literatur (1) Marmot M, et al. The benefits and harms of breast cancer screening: an independent review. Independent UK Panel on Breast Cancer Screening. Lancet 2012; 380/9855:1778-1786. (2) EUROSCREEN Working Group. Summary oft he evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate oft he benefit and harm balance sheet. J Med Screen; 19 Suppl 1: 5-13. DOI: 10.1258/jms.2012.012077
Bericht Prof. Heywang-Köbrunner als Download (PDF)