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Wissenschaftliches Symposium
MDC ehrt Prof. Carmen Birchmeier-Kohler zum 60. Geburtstag
Mit einem Symposium über neueste Erkenntnisse in den Neurowissenschaften – „Frontiers in Developmental Neuroscience“ – hat das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) Prof. Carmen Birchmeier-Kohler geehrt. Die international angesehene Entwicklungsbiologin und Genforscherin leitet seit 1995 eine Forschungsgruppe am MDC.
In seiner Laudatio würdigte Prof. Thomas Sommer, wissenschaftlicher Vorstand (komm.) des MDC, die herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten der Forscherin, für die sie 2002 mit dem Leibniz-Preis, dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland, ausgezeichnet wurde. „Darüber hinaus hat Carmen Birchmeier-Kohler das MDC mitgeprägt und dazu beigetragen, dass es fest in der Wissenschaftsszene in Berlin eingebunden ist“, betonte er.
Prof. Birchmeier-Kohler befasst sich mit molekularbiologischen Fragen der Embryonal- und Organentwicklung der Säuger, die unter anderem bei Fehlentwicklungen des Nervensystems, bei Skelettmuskel- und Herz-Erkrankungen sowie Krebs eine Rolle spielen. Mit Hilfe so genannter "Knock-out"-Mäuse – bei ihnen werden gezielt bestimmte Gene ausgeschaltet, um zu sehen, welche Funktion sie im Organismus haben – konnte sie mit ihren Mitarbeitern die Rolle verschiedener Wachstumsfaktoren und ihrer Rezeptoren sowie der von ihnen kontrollierten Transkriptionsfaktoren für die Entwicklung des Organismus entschlüsseln.
Ausbildung in Deutschland, der Schweiz und den USA
Die am 6. Juli 1955 in Waldshut in der Nähe der Schweizer Grenze geborene Forscherin studierte von 1974 – 1979 Chemie und Biochemie an den Universitäten Konstanz, der University of California, San Diego (UCSD) sowie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Nach ihrer Promotion 1984 bei dem Molekularbiologen Prof. Max Birnstiel an der Universität Zürich ging sie als Postdoktorandin an das Cold Spring Harbor Laboratory (CSHL) auf Long Island, New York, in das Labor des Genetikers Prof. Michael Wigler, einem Pionier der Onkogen-Forschung. In Cold Spring Harbor entdeckte sie selbst zwei dieser Gene, die Krebs auslösen, wenn sie mutiert sind. Prof. Wigler war zu dem Geburtstagssymposium nach Berlin gekommen und referierte über die Entwicklung von Methoden zur Früherkennung von DNA-Mutationen, die zu Krebs und auch Autismus führen können.
Nur zwei Jahre nach ihrer Postdoktorandenzeit erhielt Carmen Birchmeier-Kohler eine Wissenschaftlerstelle am CSHL, und drei Jahre später, 1989, wurde sie Leiterin einer unabhängigen Juniorforschungsgruppe am Max-Delbrück-Laboratorium der Max-Planck-Gesellschaft in Köln. 1993 erhielt sie einen Ruf an das 1992 gegründete MDC und kam dann 1995, vor 20 Jahren, als Forschungsgruppenleiterin nach Berlin-Buch.
Seit 2002 hat sie zudem eine C4-Professur an der Medizinischen Fakultät der Freien Universität (FU) Berlin inne, jetzt Charité – Universitätsmedizin Berlin. Zudem ist sie im Vorstand des Exzellenzclusters NeuroCure, ein im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördertes Programm an der Charité mit dem Forschungsschwerpunkt Neurowissenschaften. Weiter ist sie stellvertretende Sprecherin des Sonderforschungsbereichs (SFB) 665 zu Entwicklungsstörungen im Nervensystem.
Neben dem Leibniz-Preis 2002 erhielt Prof. Birchmeier-Kohler 1989 den Bennigsen Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen. 2002 wurde sie zum Mitglied der European Molecular Biology Organization (EMBO) gewählt und 2012 zum Mitglied der Academia Europaea.
Breit gefächertes Themenspektrum
So vielfältig die Forschungsinteressen von Prof. Birchmeier-Kohler sind, so breit gespannt war auch der Bogen der Vorträge auf ihrem Geburtstagssymposium. Den Festvortrag hielt Prof. Thomas Jessell von der Columbia Universität in New York über „Spinal Circuits for Skilled Movements“ (Die Bedeutung spinaler Schaltkreise für die Motorik). Er gilt als der Experte für die Spezifizierung neuronaler Schaltkreise im Rückenmark. Das motorische Nervensystem und seine Schaltkreise standen auch im Fokus des Vortrags von Prof. Silvia Arber vom Biozentrum der Universität Basel.
Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, dass auch das Gehirn Erwachsener über Stammzellen verfügt und damit das Potential zur Erneuerung von Nervenzellen hat. Darüber, welche Signale und Faktoren diese Stammzellen regulieren, sprach Prof. François Guillemot vom Francis Crick Institute in London. Prof. Rhona Mirsky vom University College in London berichtete über die Fähigkeit von Schwann-Zellen geschädigte Nervenzellen, bzw. deren Ausläufer, die Axone, zu reparieren.
Prof. Christian Haass von der Ludwig-Maximilians Universität München beleuchtete in seinem Vortrag die Frage, ob ein bestimmtes Eiweiß, das Enzym Beta-Secretase, für die Entwicklung einer Therapie gegen Alzheimer Angriffsziel sein und ausgeschaltet werden kann. Das Enzym ist an der Entstehung der Plaques bei der Alzheimer Krankheit beteiligt, die den Untergang von Nervenzellen auslösen. Über den Tastsinn berichtete Prof. David Ginty von der Harvard Medical School in Boston. Prof. Gary Lewin vom MDC referierte über den afrikanischen Nacktmull, der in Kolonien unter der Erde lebt und keinen Säureschmerz empfindet.
Organisatoren des MDC-Symposiums waren Prof. Gary Lewin, Prof. Fritz G. Rathjen, Prof. Erich Wanker und Dr. Michael Strehle. Es wurde finanziell unterstützt vom Sonderforschungsbereich SFB 665 sowie vom Exzellenzcluster NeuroCure.