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3. Akademietag der Pallottiner Vallendar
Organspende – das Für und Wider der Transplantationsmedizin
„Nicht in der mangelnden Spendenbereitschaft der Bevölkerung liegt die eigentliche Ursache des sogenannten Organmangels“, sagte Hauptreferentin Professorin Dr. Alexandra Manzei von der Pflegewissenschaftlichen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV). Vielmehr gebe es aus strukturellen Gründen nicht genügend Organe. „Es kann eben nicht jeder Mensch nach seinem Tod Organe spenden“, erklärte Professorin Manzei. „Spenden können nur Hirntote. Das sind Menschen, bei denen die Funktionen des Gehirns irreversibel geschädigt sind, bei denen der Körper aber noch Lebenszeichen aufweist.“ Denn Organe von Leichen könne man nicht verpflanzen. Mit dem Organ einer Leiche würde man den Empfänger vergiften, da bei einem Verstobenen der Zersetzungsprozess des Körpers schon begonnen habe. Transplantiert werden können vielmehr nur solche Organe, die einen ganz geringen Zeitraum nicht durchblutet sind.
„Hirntote Patienten gibt es jedoch nur sehr wenige“, gibt Professorin Manzei zu bedenken. Wie viele dies genau sind, könne nur geschätzt werden. „Die wenigen Studien, die es in Deutschland gibt, gehen von einer Anzahl von 3000 bis 4000 Hirntoten pro Jahr aus.“ Selbst wenn alle diese Patienten Organspender und alle ihre Organe kompatibel, gesund und verpflanzbar wären – was in der Regel nicht der Fall sei – gäbe es, so Professorin Manzei, nicht genügend Organe für alle, die darauf warten.
„Umso erfolgreicher die Transplantationsmedizin ist, umso stärker steigt der Organbedarf an“, sagt Professorin Manzei. In Ländern wie Belgien dürfen Organe bereits nach dem Herztod entnommen werden. Doch darin sieht Professorin Manzei keine Lösung der Problematik. Ihr Vorschlag lautet: „Es müssen Alternativen zur Organtransplantation gefunden werden.“ Dazu zählen ihrer Ansicht nach das Vermeiden von (billigen) Medikamenten mit Organ schädigenden Nebenwirkungen, Maßnahmen zur Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen sowie individuelle Prävention gegen Zivilisationskrankheiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Fettleibigkeit und Suchtkrankheiten. Professorin Manzei fordert eine ehrliche Aufklärung und das Vermeiden von moralischem Druck bei der Entscheidungsfindung. Nur so könne das verlorene Vertrauen in die Transplantationsmedizin wieder aufgebaut werden.
Privatdozentin Dr. med. Beate Schoch, Chefärztin der Klinik für Neurochirurgie am Stiftungsklinikum Mittelrhein GmbH, zeigte aus medizinischer Sicht die Konfliktfelder auf, in denen sich Ärzte im Zusammenhang mit der Transplantationsdebatte befinden. „Das Mysterium des Todes können auch wir Mediziner nicht erfassen“, sagt Dr. Schoch. Dennoch müssen Ärzte Kriterien für einen Point-of-no-return (Zeitpunkt, ab dem keine Rückkehr ins Leben mehr möglich ist) bestimmen. Aus dieser Notwendigkeit erwuchs das Kriterium des Hirntodes, dessen Definition mit den Möglichkeiten der heutigen Medizintechnik weiterentwickelt werden muss. Ärzte stehen immer im Spannungsfeld zwischen der Würde des Sterbenden, den Fragen der Angehörigen und der Erwartungshaltung der Organ-Empfänger. „Wir Ärzte sind auch Sterbebegleiter“, so Dr. Schoch. „Wir geben dem Leben, aber auch dem Tod Raum.“ Dabei stellen sich die Fragen: Was ist machbar in der Medizin? Was ist sinnvoll? Und was ist ethisch vertretbar?
Moraltheologe Professor Dr. Heribert Niederschlag, Leiter des Ethikinstituts an der PTHV, untersuchte die Thematik aus ethischer Sicht. Für ihn dient die normative Zuschreibung des Hirntodes auch der rechtlichen Absicherung der Ärzte. „Denn wir können den Tod nicht erkennen“, so Professor Niederschlag. Der Mensch werde beim Tod durch Hirnversagen zwar „innerlich enthauptet“, es gebe jedoch biologische Regelsysteme, die den Körper auch danach noch funktionsfähig halten. „Es kann durchaus sein, dass Hirntote Sterbende sind, es kann aber auch sein, dass sie Tote sind“, gibt Professor Niederschlag zu bedenken. Das „sich nicht mehr in Beziehung setzen können“ ist für ihn maßgeblich für das Ende des Lebens. Gerade hier plädiert Professor Niederschlag für eine Kultur des Gebens und Schenkens: „Wenn ich am Ableben bin, kann eines meiner Organe zum Aufleben eines anderen Menschen führen.“
Sind wir Opfer einer Kampagne der Organtransplantation? Welche Rolle spielen Politik und Gesundheitsökonomie einerseits beim Ausbau der Transplantationsmedizin und andererseits bei der Förderung von alternativen Therapien? Werden Persönlichkeitsmerkmale und Gewohnheiten des Spenders mittransplantiert? Und: Ab wann ist man zu alt zum Spenden? Dies sind nur wenige der zahlreichen und weitreichenden Fragen, die vom Publikum in der anschließenden Diskussionsrunde an die Referenten gestellt wurden.