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Rauchen beeinflusst stark das Immunsystem
Rauchen beeinflusst molekulare Mechanismen und damit das kindliche Immunsystem
Im Fokus standen dabei kurze Abschnitte der RNA, sog. microRNA, die im komplexen Netzwerk der Genregulation eine wichtige Rolle spielen.
Der Zusammenhang zwischen den Umweltbedingungen während der Schwangerschaft und dem Allergierisiko bei Neugeborenen ist seit längerem ein wichtiges Thema des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Im Rahmen der Langzeitstudie LINA haben sich die Leipziger Umweltimmunologen nun aktuell mit dem Faktor Tabakrauch beschäftigt. Im Vordergrund stand, dessen Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems beim Kind aufzudecken – und zwar auf molekularer Ebene. Im Ergebnis, aktuell veröffentlicht im "Journal of Allergy and Clinical Immonology", steht fest: "Erstmals konnten wir den Effekt einer vorgeburtlichen Umweltbelastung auf die Regulation von microRNA beschreiben", sagt Dr. Gunda Herberth, eine der beteiligten Wissenschaftlerinnen.
Frühere Studien belegen, dass Rauchen das ungeborene Kind schädigen kann: Neugeborene weisen ein geringes Geburtsgewicht und eine eingeschränkte Lungenfunktion auf; im weiteren Lebensverlauf können u.a. Atemwegsinfekte, Diabetes Typ II, Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzukommen. Doch welche molekularen Mechanismen und Prozesse derartigen Entwicklungseinschränkungen und -störungen zugrunde liegen, war bislang ein weißer Fleck in der Forschung.
Aus diesem Grund haben sich Dr. Gunda Herberth und Dr. Irina Lehmann vom UFZ dem relativ jungen Forschungsgebiet der microRNA zugewandt. Seit Anfang der 1990er Jahre sind diese Zellbestandteile in den Fokus der Molekular- und Zellbiologie gerückt. Beim Menschen sind inzwischen mehr als 1.200 verschiedene dieser kurzen RNA-Moleküle benannt, von denen ein Teil bei der Regulation der Immunantwort eine wichtige Funktion übernimmt. Unter anderem beeinflussen sie maßgeblich die Differenzierung der regulatorischen T-Zellen (Treg-Zellen), die wiederum eine überschießende Aktivierung des Immunsystems bis hin zu Autoimmunerkrankungen verhindern. Gibt es zu wenige dieser Treg-Zellen oder ist ihre Funktion gestört, mindert dies die Fähigkeit des Immunsystems zur Selbstregulation. Allergische Erkrankungen können die Folge sein.
Für den Zusammenhang zwischen vorgeburtlichem Rauchen einerseits und Allergierisiko der Kinder andererseits haben die Leipziger Wissenschaftlerinnen die microRNA-223, microRNA-155 und regulatorische T-Zellen untersucht – und dies sowohl im Blut der Schwangeren (36. Schwangerschaftswoche) als auch im Nabelschnurblut der Kinder (bei Geburt). Parallel wurden Fragebögen erhoben und der Urin der Schwangeren untersucht, um die Belastung durch Tabakrauch bzw. durch die flüchtigen organischen Verbindungen, die durch Rauchen entstehen, exakt zu belegen. Aus dem Kreis der LINA-Studienteilnehmer wurden für diese Untersuchungen 315 Mütter, von denen 6,6 Prozent Raucherinnen waren, und 441 Kinder herangezogen.
Die Fokussierung auf die microRNA-223 und -155 erfolgte, weil deren Rolle in der Regulation der T-Zellen bereits belegt war. "Unser Interesse galt nun der Frage", erläutert Dr. Gunda Herberth, "ob diese microRNAs einen Link zwischen Rauchbelastung, regulatorischen T-Zellen und Allergierisiko darstellt."
Im Detail ergaben die Messungen der Konzentration dieser microRNAs sowie der Anzahl regulatorischer T-Zellen im Blut der Schwangeren und im Nabelschnurblut, dass eine hohe Belastung mit tabakrauchassoziierten flüchtigen organischen Verbindungen mit hohen Werten für microRNA-223 einhergeht. Parallel wurde festgestellt, dass erhöhte Werte für microRNA-223 im Nabelschnurblut der Kinder mit einer geringeren Anzahl an regulatorischen T-Zellen korrelieren. Schließlich konnte gezeigt werden, dass eine niedrige Anzahl an Treg-Zellen im Nabelschnurblut ein Indiz dafür ist, dass die betreffenden Kinder bis zum dritten Lebensjahr eher eine Allergie entwickeln als die Kinder mit normalen Werten für microRNA-223 und Treg-Zellen. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Neurodermitis zu erkranken, ist für diese Kinder zwei Mal höher.
„Nachdem wir in unserer LINA-Studie früher bereits den Einfluss des mütterlichen Rauchens auf die Anzahl der regulatorischen T-Zellen im Nabelschnurblut zeigen konnten, dringt die aktuelle epidemiologische Untersuchung noch eine Stufe tiefer in die molekularen Prozesse ein“, resümieren Dr. Gunda Herberth und Dr. Irina Lehmann. "Jetzt", so führen die Leipziger Umweltimmunologinnen aus, "wissen wir mehr über die molekulare Prozesse, die eine Rauchbelastung während der Schwangerschaft auslöst." Damit ist erstmals der Effekt einer pränatalen Umweltbelastung auf die Regulation von microRNA beschrieben. In diesem Sinne öffnet die aktuelle Helmholtz-Studie den Weg für weitere Forschungen zur Rolle von microRNA für die Reaktion des humanen Immunsystems auf Umweltschadstoffe.
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg mehr als 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert. http://www.ufz.de/
Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 35.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894). http://www.helmholtz.de/