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Wittener Krankenhausforum
Neue Impulse für einen Veränderungsprozess
Den Anfang machte am Freitagmorgen Moderator Dr. Till Jansen, der einige einleitende Worte sprach, bevor Universitätspräsident Prof. Dr. med. Martin Butzlaff die Teilnehmer in Witten begrüßte. Im Anschluss leitete Prof. Dr. Werner Vogd, Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie und Leiter des DFG-Projekts zur Entscheidungsfindung im Krankenhausmanagement, mit seiner Keynote in die Inhalte des Forums ein. Sein Vortrag mit dem Titel „Riskante Mutationen“ beschäftigte sich mit dem Dauerstress, den die Einführung der Finanzierung über diagnosebezogene Fallgruppen (DRG) auf die Krankenhäuser ausübt. Analog zur Biologie begünstige dieser Stress die Mutationen bzw. die Veränderungen innerhalb des Systems „Krankenhaus“, deren Folgen jedoch nicht nur positiv sein können. Beispiele für negative Veränderungen seien unter anderem der entstandene Spartenkannibalismus unter den Fachabteilungen oder der Verfall der ärztlichen Professionsethik. Die abschließende Frage, die Prof. Dr. Vogd den Teilnehmern als Grundlage für die darauffolgenden Workshops mit auf den Weg gab, lautete: Wie lässt sich der Dauerstress bewältigen, um „riskante Mutationen“ zu verhindern? Die während der Keynote verwendete Metapher von den DRG’s als „Hecht im Karpfenteich“ prägte im weiteren Verlauf nicht nur den Auftakt, sondern auch die Diskussionen an beiden Tagen des Wittener Krankenhausforums.
Im Anschluss wurden die Teilnehmer durch Dr. Till Jansen zu einem Experiment eingeladen. In der ersten Workshopeinheit sollten Sie einer fiktiven Konferenz beiwohnen, in der sie eine völlig andere Rolle einnehmen mussten, als dies im wahren Leben der Fall ist. Aus einem Geschäftsführer wurde so z.B. der Chefarzt für Gynäkologie. Wie wiederum Chefärzte die Rolle des Geschäftsführers interpretierten, verdeutlichte folgende Aussage: „Was ich mir von Ihnen heute wünsche ist Bedenken zu äußern, aber ab morgen wünsche ich mir von Ihnen mehr Lösungen und weniger Probleme.“ Die wichtigste Erkenntnis aus diesem Rollenspiel war, dass es offensichtlich Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Entscheidungsträgern im Krankenhaus gibt, sie also gewissermaßen nicht die gleiche Sprache sprechen.
In den folgenden Workshops, die von den Teilnehmern frei gewählt werden konnten und von denen immer mehrere parallel stattfanden, wurden dann solche Kommunikationsschwierigkeiten und andere Problembereiche unserer Krankenhäuser diskutiert. Im Vordergrund stand dabei sowohl am Freitag als auch am Samstag eine humane, gesellschaftlich verantwortliche aber auch ökonomisch effiziente Zukunft der Krankenhausorganisationen – zum Wohle der Patienten. Anhand von zahlreichen Best-Practice-Beispielen wurden mögliche Lösungen präsentiert, in der Diskussion wurde aber auch eine Übertragbarkeit in den persönlichen Bereich geschaffen: Impulse für einen Veränderungsprozess.
Auch zwei Studierende der Universität bekamen die Chance zum interdisziplinären Austausch, ihre Teilnahme am Krankenhausforum wurde durch die Wittener Universitätsgesellschaft ermöglicht. Die jungen Experten brachten eine neue Perspektive in die Diskussionen ein und konnten nicht nur beim Dinner am Freitagabend interessante Kontakte knüpfen.
Am Ende waren sich alle Teilnehmer – Geschäftsführungen, Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegedienstleitungen – einig, dass man zusammen in einem Boot sitze und daher auch nur gemeinsam an Lösungen arbeiten könne. Es wurde deutlich, dass die von Initiatorin Sarah Poranzke angestrebte Zielsetzung, mit dem Forum einen Multiplikator für die Teilnehmer im Sinne von neuen Verbindungen und einer Zusammenarbeit über die Tagung hinaus zu schaffen, erfüllt wurde. Um die Frage zu beantworten, wie man am besten mit dem Dauerstress umgehen kann, wurde diskutiert, was in den jeweiligen Häusern diesbezüglich getan werden kann. Die Erkenntnis, dass der Stress durch die DRG’s von außen auf die Krankenhäuser einwirkt und es nicht der eigene Stress ist, ebnete den Weg für individuelle Lösungsansätze. Während man sich daher für einige weitergehende Projekte absprach, erkannte man jedoch auch, dass zwar kleine, lokale Veränderungsprozesse eingeleitet werden können, dass man aber in Zukunft auch auf die Unterstützung aus der Politik angewiesen ist. Aus diesem Grund wurde der Wunsch geäußert, zum nächsten Wittener Krankenhausforum auch Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums einzuladen, um sich einem ehrlichen Dialog mit den Krankenhäusern zu stellen. Das gleiche gilt auch für Vertreter der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, da entsprechende Arrangements mit den Krankenkassen den Stress für die Krankenhäuser ebenfalls reduzieren könnten. So entstand gewissermaßen die Agenda für das Wittener Krankenhausforum 2016. Die Teilnehmer waren sich außerdem in einem weiteren Punkt einig: Nirgendwo anders ist ein solch intensiver Austausch zwischen allen Entscheidungsträgern aus dem Krankenhaus möglich wie in Witten.
Auch im nächsten Jahr wird das Wittener Krankenhausforum auf dem Campus der Universität Witten/Herdecke stattfinden.
Weitere Informationen: Sarah Poranzke, sarah.poranzke@uni-wh.de
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.100 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung. Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.