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Gaetano Gargiulo
ERC-„Proof of Concept“-Grant
Krebszellen täuschen den Körper auf perfide Art und Weise. Dabei verändern sie nicht nur ihr Erbgut und werden so vielfältiger. Sie können auch immer wieder ihren Zustand wechseln. „Wer Krebszellen mit präzisen Therapien zu fassen kriegen will, muss ihre ganze Heterogenität beachten und mögliche Ausweichmanöver einkalkulieren“, sagt Dr. Gaetano Gargiulo, der Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Onkologie“ am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Es wird immer klarer, dass die Zellzustände unbedingt dazugehören. Er und seine Kolleg*innen haben eine Technologie erfunden, die sie sichtbar machen und ihren Verlauf dokumentieren kann.
Die Zellen vieler solider Tumore, einschließlich der häufigen Lungen-, Brust-, Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsenkrebsarten, machen sich ein Zellprogramm aus der Embryonalentwicklung zunutze: die epithelial-mesenchymale Transition (EMT). Wenn epitheliale Tumorzellen in den mesenchymalen Zustand übergehen, können sie zum Beispiel leichter durch den Körper wandern und sie reagieren anders auf Krebsmedikamente. Mithilfe ihrer neuen Technologie konnten Gargiulo und sein Team zum Beispiel zeigen, dass Immunzellen dabei zu Kollaborateuren werden können. Im Gehirn helfen sie den Zellen des Glioblastoms, in einen mesenchymalen Zustand überzugehen und so resistent gegen eine Chemotherapie zu werden. Auch beim Lungenkrebs hat das Team die Zustandsänderungen verfolgt. „Und sie sind keine Einbahnstraße“, sagt Gargiulo.
Die Erfindung der molekularen Reporter, die den Übergang sichtbar machen, war Teil eines Projekts, das der Europäische Forschungsrat ERC bereits mit einem Starting Grant fördert. Schnell war Gargiulo und seinem Team klar, dass die Technologie nicht nur für ihre eigenen Forschungsfragen relevant ist. Sie könnte die Suche nach neuen Wirkstoffen gegen Krebs effektiver machen. Das sieht auch der ERC so und fördert nun die ersten Schritte zur Kommerzialisierung der Erfindung mit einem „Proof of Concept“-Grant über 150.000 Euro. Gargiulo ist einer 166 Forscherinnen und Forschern aus ganz Europa, die der ERC in diesem Jahr so unterstützt und den Weg dafür ebnet, dass ihre Ergebnisse in breit verfügbare Lösungen übersetzt werden können.
Effektiver nach neuen Wirkstoffen gegen Krebs suchen
Gargiulos Projekt soll vor allem die Hochdurchsatz-Methoden verbessern, mit denen Wissenschaft und Pharmaindustrie nach neuen Krebsmedikamenten suchen. Um ganze Wirkstoff-Bibliotheken in einem Screening testen, nutzen sie etablierte Zelllinien als Standard-Modelle. „Dieser Ansatz ist allerdings derzeit zu grob vereinfacht. Denn Informationen zu den Zellzustände werden dabei weder erhoben noch im Prozess berücksichtigt“, sagt Gargiulo. „Dabei beeinflussen sie grundlegend, ob Therapeutika wirken können oder nicht. Und es ist mittlerweile Konsens, dass künftig eine Kombination verschiedener Wirkstoffe angewendet werden muss, um mögliche Ausweichmanöver zu verhindern.“ Mithilfe des „Proof of Concept“-Grants wollen er und seine Kolleg*innen nun einen Werkzeugkasten entwickeln, der die molekularen Reporter für oft genutzte Zelllinien nutzbar macht. Außerdem wollen sie die Nährmedien so definieren, dass sie die Zellen zielgerichtet in den einen oder anderen Zustand drängen.
„Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können wir einen Prototyp entwickeln“, sagt Gargiulo. Doch das sei nur ein Schritt in Richtung breite Anwendung. Fachwissen zu geistigem Eigentum und eine Strategie, die die Wertschöpfung der Entdeckung fördert, seien ebenfalls unverzichtbar – etwa in Zusammenarbeit mit dem Technologietransfer-Team des MDC. „Der ERC-Grant gibt uns Zeit, uns auf diese Schritte zu konzentrieren. Das ist ein wichtiger Impuls.“ Er ist davon überzeugt, dass es sich lohnt. Schließlich verschlingen die Mängel in der Arzneimittelentwicklung derzeit Milliarden und selbst kleine Verbesserungen könnten erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben. Und auf die unzähligen Patienten, die wirksame Therapien benötigen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Dr. Gaetano Gargiulo
Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Onkologie“
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
Tel.: 030 / 9406-3861
E-Mail: Gaetano.Gargiulo@mdc-berlin.de