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Laura Hinze
Herausragende Forschung zur Krebsresistenz
Sie hat entdeckt, wie Leukämiezellen Resistenz gegen das Chemotherapeutikum Asparaginase entwickeln, und so einen neuen Angriffspunkt für die Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) erschlossen. ALL ist die häufigste Krebsart bei Kindern. Ferner konnte sie einen neuen Ansatz zur Behandlung von Darmkrebs und anderen soliden Tumoren ableiten.
Leukämiezellen sind im Gegensatz zu normalen Körperzellen nicht in der Lage, ausreichende Mengen der Aminosäure Asparagin selbst herzustellen. Sie müssen Asparagin importieren. Weil das Enzym Asparaginase den Abbau von Asparagin katalysiert, reduziert es das extrazelluläre Angebot dieser Aminosäure drastisch. Asparaginase ist deshalb ein wirksames Mittel zur Behandlung von ALL, denn davon gehen Leukämiezellen zugrunde, während es normalen Körperzellen nicht schadet. Leukämiezellen können jedoch lernen, sich der Wirkung der Asparaginase zu entziehen.
Um herauszufinden, wie ihnen das gelingt, schalteten Dr. Laura Hinze und ihr Team mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9 in einer Kultur resistenter ALL-Zellen systematisch rund 19.000 Gene aus – in jeder Zelle jeweils nur eines – und beobachteten, was geschah, wenn sie die Zellen mit Asparaginase behandelten. Als Vergleich diente eine Kultur, die nur mit einer Pufferlösung ohne Wirkstoff versetzt worden war. Von den mit Asparaginase behandelten Zellen starben besonders häufig diejenigen ab, in denen eines der beiden Gene NKD2 oder LGR6 ausgeschaltet worden war. Ihnen war die Resistenz offenbar abhandengekommen. Das deutete im Umkehrschluss darauf hin, dass Leukämiezellen, in denen diese Gene funktionieren, besonders häufig resistent werden. Beide Gene codieren, das zeigten Hinze und ihr Team, für Inhibitoren des Wnt-Signalweges.
Im gesunden Organismus ist dieser Signalweg für die Embryonalentwicklung und später für Erhaltungsarbeiten im Gewebe zuständig. Seine außerplanmäßige Aktivierung begünstigt die Entstehung von Krebs. Die Hauptrolle spielt dabei ein Überschuss des Proteins ß-Catenin, das Wachstumsimpulse in den Zellkern trägt. Wenn der Wnt-Signalweg inaktiv ist, wird ß-Catenin für den Abbau markiert. Zentral für diese Markierungsarbeit ist das Enzym Glykogensynthase-Kinase 3 (GSK3). Es sorgt dafür, dass ß-Catenin der innerzellulären Proteinverwertung (dem Proteasom) zugeführt und dort wie alle Proteine, die der Zelle schaden könnten oder die sie nicht braucht, in kleine Bruchstücke und Aminosäuren zerlegt wird. Aus dieser Quelle holt sich die Leukämiezelle Asparagin, das ihr durch die Behandlung mit Asparaginase vorenthalten worden ist.
Hinze und Kollegen gelang es, durch eine partielle Aktivierung des Wnt-Signalweges, die den Abbau von ß-Catenin blockiert, ohne dessen potenziell onkogene Signale zu beflügeln, diese Resistenzquelle weitgehend auszutrocknen. Denselben Effekt erzielten sie durch eine selektive Blockade von GSK. Leukämiekranke Mäuse, die gleichzeitig Asparaginase und GSK3- Inhibitoren erhielten, überlebten sehr viel länger als solche, die nur mit Asparaginase behandelt wurden.
Mutationen auf dem Wnt-Signalweg, die zu dessen Überaktivierung führen, sind besonders typisch für Darmkrebs. Deshalb prüfte Hinze, inwieweit sich ihre Forschungsergebnisse auf diese zweithäufigste aller Krebsarten übertragen lassen. Ihre Ausgangshypothese: Etwa 15 Prozent aller Wnt-Signalwegmutationen liegen bei Darmkrebs stromaufwärts des Enzyms GSK3. Das Enzym ist bei Patienten mit dieser genetischen Signatur also bereits durch Mutationen im Erbgut der Krebszellen inhibiert. Das Proteasom liefert kein Asparagin mehr. Entzieht man das Asparagin außerdem durch die Gabe von Asparaginase, könnte man die Darmkrebszellen aushungern. Diese Hypothese haben Laura Hinze und ihr Team inzwischen präklinisch belegt. Sie könnte auch für andere solide Tumoren gelten, die durch eine Wnt-induzierte endogene Inhibition von GSK3 charakterisiert sind.
Der Preis wird – zusammen mit dem Hauptpreis 2022 und den Preisen des Jahres 2021 ¬– am 14. März 2022 um 17 Uhr vom Vorsitzenden des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Pandemiebedingt ist das Platzangebot begrenzt. Die Veranstaltung wird per Livestream übertragen. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis
Der 2006 erstmals vergebene Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis wird von der Paul Ehrlich-Stiftung einmal jährlich an einen in Deutschland tätigen Nachwuchswissenschaftler oder eine in Deutschland tätige Nachwuchswissenschaftlerin verliehen, und zwar für herausragende Leistungen in der biomedizinischen Forschung. Das Preisgeld von 60.000 € muss forschungsbezogen verwendet werden. Vorschlagsberechtigt sind Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie leitende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an deutschen Forschungseinrichtungen. Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch den Stiftungsrat auf Vorschlag einer achtköpfigen Auswahlkommission.