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Prof. Dr. Matthias Guckenberger
4D Strahlentherapie: Mit Echtzeit-Bildgebung zielgenau behandeln
Die Strahlentherapie ermöglicht es, Tumoren im Inneren des Patienten nicht-invasiv, d.h. ohne Notwendigkeit zur Operation, zu behandeln und abzutöten. Im Gegensatz zum Chirurgen kann der Strahlentherapeut damit allerdings den Tumor nicht direkt einsehen. In der Strahlentherapie sind wir daher auf bildgebende Verfahren – Computertomografie oder Kernspintomografie – angewiesen, um den Tumor in seiner Lage, Form und Ausdehnung darzustellen und zielgenau zu behandeln. Die Strahlentherapie erfolgt über einen Zeitraum von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen; in dieser Zeit kommt es typischerweise zu Veränderungen der Tumorposition, -form und Ausdehnung. Dies macht eine wiederholte Anpassung der Strahlentherapie notwendig, um eine kontinuierlich präzise Bestrahlung zu erreichen. Anderenfalls kann die Bestrahlung den Tumor verfehlen, was den Erfolg der Behandlung gefährdet und gleichzeitig das Nebenwirkungsrisiko erhöht.
Eine besondere Herausforderung sind Bewegungen von Lungen- und Oberbauchtumoren, die sich durch die Atmung bewegen: Diese Bewegungen können mehrere Zentimeter betragen und gleichzeitig ist die Geschwindigkeit der Bewegung hoch. Noch vor wenigen Jahren konnten diese Bewegungen nicht für jeden Patienten individuell gemessen werden; die Folge war, dass alle Patienten ausgedehnt bestrahlt werden mussten, damit bei keinem Patienten der Tumor verfehlt wurde.
Seit einigen Jahren ermöglicht die 4D-Strahlentherapie ein zielgenaues Behandeln auch solcher atembeweglicher Tumoren: Mittels 4D-Computertomografie wird die Tumorbewegung für jeden Patienten individuell und präzise ermittelt und basierend auf dem Ausmaß der Bewegung eine Strategie zur Bewegungskompensation gewählt. Wenn sich der Tumor um weniger als ca. 5 mm bewegt, sind keine spezifischen Maßnahmen notwendig. Bei größeren Bewegungen stehen heute verschiedene Strategien und Technologien zur Verfügung, um diese hoch-beweglichen Tumoren präzise zu treffen.
Obwohl sich die einzelnen Lösungen technisch unterscheiden, erzielen sie doch alle einen sehr guten Behandlungserfolg. Ergebnisse der Körperstereotaxie aus 16 deutschen und österreichischen Zentren zeigten konstant exzellente Ergebnisse unabhängig von der verwendeten Bestrahlungstechnik (1). Kleine Lungentumoren können mit dieser 4D-Strahlentherapie innerhalb weniger Behandlungssitzungen so effektiv therapiert werden, dass die klinischen Ergebnisse denen einer aufwendigen Chirurgie vergleichbar sind (2, 3). Mittels dieser 4D-Strahlentherapie, auch Körperstereotaxie genannt, ist eine Heilung auch bei Patienten möglich, die aufgrund von Begleiterkrankungen nicht operiert werden können. Gerade im Zeitalter einer alternden Bevölkerung steht uns Radioonkologen damit sowohl eine effektive als auch schonende Behandlungsmethode zur Verfügung (4, 5).
Basierend auf den vielversprechenden Ergebnissen bei Lungentumoren, wird diese Methode der 4DStrahlentherapie oder Körperstereotaxie zunehmend auch bei anderen beweglichen Tumoren eingesetzt, z.B. Leber- oder Nierentumoren. Auch hier sind erste Ergebnisse äußerst vielversprechend, die Erfahrungen sind aber noch nicht so groß wie bei Lungentumoren. Neben den oben genannten technischen Voraussetzungen sind aber noch zwei weitere Faktoren essenziell, um eine 4D-Strahlentherapie auf höchstem Niveau zu praktizieren: Erstens bedarf es eines gut ausgebildeten Teams aus Ärzten, Physikern und MTRAs mit klinischer Erfahrung in der 4DStrahlentherapie; zweitens müssen 4D-Strahlentherapie und Stereotaxie in ein interdisziplinäres Umfeld eingebunden sein, in welchem die Indikation für oder gegen eine solche Behandlung diskutiert wird.
Literatur:
- Guckenberger M, Allgauer M, Appold S, Dieckmann K, Ernst I, Ganswindt U, et al. Safety and efficacy of stereotactic body radiotherapy for stage [I] non-small-cell lung cancer in routine clinical practice: a patterns-of-care and outcome analysis. J Thorac Oncol. 2013;8(8):1050-8.
- Verstegen NE, Oosterhuis JW, Palma DA, Rodrigues G, Lagerwaard FJ, van der Elst A, et al. Stage I-II non-small-cell lung cancer treated using either stereotactic ablative radiotherapy (SABR) or lobectomy by video-assisted thoracoscopic surgery (VATS): outcomes of a propensity score-matched analysis. Ann Oncol. 2013;24(6):1543-8.
- Onishi H, Shirato H, Nagata Y, Hiraoka M, Fujino M, Gomi K, et al. Stereotactic body radiotherapy (SBRT) for operable stage I non-small-cell lung cancer: can SBRT be comparable to surgery? Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2011;81(5):1352-8.
- Guckenberger M, Kestin LL, Hope AJ, Belderbos J, Werner-Wasik M, Yan D, et al. Is There a Lower Limit of Pretreatment Pulmonary Function for Safe and Effective Stereotactic Body Radiotherapy for Early-Stage Non-small Cell Lung Cancer? J Thorac Oncol. 2012;7(3):542-51.
- Palma D, Visser O, Lagerwaard FJ, Belderbos J, Slotman BJ, Senan S. Impact of introducing stereotactic lung radiotherapy for elderly patients with stage I non-small-cell lung cancer: a population-based time-trend analysis. J Clin Oncol. 2010;28(35):5153-9.