- Personalien [+]
Prof. Stefan Knapp
Mit kleinen Molekülen gegen den Krebs
Der international als Leiter der „Chemical Biology“ Gruppe des Structure Genomics Consortiums in Oxford bekannte Forscher Stefan Knapp ist neuer Professor für Pharmazeutische Chemie an der Goethe-Universität. Knapp ist Spezialist für die Entwicklung von Wirkstoffen, die Kinasen hemmen. Das sind Enzyme, die oft an der Entstehung von Krebs, Entzündungen oder Stoffwechselerkrankungen beteiligt sind. Sein zweites Forschungsgebiet ist das Design von Wirkstoffen, die Protein-Protein-Interaktionen hemmen, im Besonderen in Proteinkomplexen, die in epigenetischen Prozessen eine Rolle spielen.
Zur Gruppe der Kinasen gehören über 500 verschiedene Enzyme, die in nahezu allen Signalwegen der Zelle eine Rolle spielen. In vielen Krankheiten, insbesondere bei Krebs, ist die Funktion dieser Enzyme gestört. Die deregulierten Kinasen eignen sich daher als Zielstrukturen für die Entwicklung von neuen Wirkstoffen. Einige auf diesem Prinzip basierende Medikamente sind bereits auf dem Markt. Dazu gehört das Herceptin, das bei Brustkrebs den Signalweg des epidermalen Wachstumsfaktors HER2 hemmt, sowie Imatinib, das zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie eingesetzt wird.
Insgesamt gibt es bis heute 30 zugelassene Kinase-Hemmer. Für eine grosse Anzahl Kinasen wurden jedoch noch keine Inhibitoren entwickelt, obwohl genetische Daten zeigen, dass diese Enzyme für die Entwicklung von vielen Krankheiten eine wichtige Rolle spielen. Knapp ist der Meinung, dass speziefische Inhibitoren, sogenannte chemische Sonden, der beste Weg wären, um den Wert der Kinasen als Targets für die Arzneimittelforschung festzustellen. Aufgrund der Größe und Homologie der Kinasefamilie ist diese Strategie jedoch nicht einfach. Die Arbeitsgruppe von Stefan Knapp in Oxford hat bereits eine große Anzahl von Kristallstrukturen aufgeklärt, die jetzt eine gezielte und rationale Entwicklung von Inhibitoren ermöglichen.
Weil diese Aufgabe für eine einzelne akademische Arbeitsgruppe oder auch einen Pharmakonzern zu umfangreich und zu kostspielig ist, wurde 2004 das „Structure Genomics Consortium“ (SGC) gegründet, ein Zusammenschluss von akademischen Labors in England, Kanada und Brasilien und derzeit 10 internationalen Pharmakonzernen. Sie haben das Ziel, neue Targets für die Arzneimittelforschung zu entdecken. Ein besonderes Merkmal dieser Initiative ist, dass alle Ergebnisse sofort publiziert werden und alle Reagenzien uneingeschränkt auch anderen Arbeitsgruppen zugänglich gemacht werden. Dies ermöglicht eine schnelle und unkomplizierte Zusammenarbeit mit klinischen Forschungsgruppen, die sich auf bestimmte Krankheiten spezialisiert haben und die entwickelten chemischen Sonden für diese Studien nutzen. Trotz der Zusammenarbeit mit der Industrie werden die chemischen Sonden daher vom SGC nicht patentiert.
„Die offene Arbeitsweise verhindert, dass parallel an ähnlichen Wirkstoffen gearbeitet und kostspielige Entwicklungsarbeit mehrfach durchgeführt wird“, weiß Knapp, der selbst fünf Jahre in der Pharmaindustrie tätig war. Vor allem aber findet er es „unethisch“, Entwicklungen in akademischen Labors durch Geheimhaltung zu verzögern, da Patienten mit bislang unheilbaren Leiden dann länger auf eine Therapie warten müssen.
Dass dieses Konzept funktioniert, wurde unlängst durch den Erfolg einer der chemischen Sonden bestätigt. Knapps Labor entwickelte 2010 in Zusammenarbeit mit dem Dana Faber Institute an der Harvard Medical School eine chemische Sonde für Bromodomänen der BET Familie. Diese Proteine spielen in der Kontrolle der Genexpression von wachstumstimulierenden Faktoren eine wichtige Rolle. In einer seltenen Krebsart, dem NUT midline Karzinom, fusionieren die Bromodomänen der BET-Proteine BRD3 oder BRD4 mit NUT, was zu der Enstehung eines aggressiven unheilbaren Karzinomes führt. In Tumormodellen zeigten die BET chemischen Sonde ausgezeichnete Effizienz, was 2014 zu ersten Klinischen Studien mit einem für diese Anwendungen optimierten Inhibitor führte. Mitlerweile wurden weitere onkologische Anwendungsgebiete für diese Inhibitorklasse gefunden, was zu 12 zusätzlichen klinischen Studien und neuen Forschungprogrammen in der Pharmazeutischen Industrie und Biotechnologie geführt hat.
Nach 22 Jahren im Ausland freut sich Stefan Knapp, wieder in Deutschland zu sein. Er war nach seinem Chemie-Studium in Marburg zunächst an der University of Illinois (USA), dann als Doktorand am Karolinska Institut in Stockholm, wo er auch als Postdoktorand forschte. Nach sieben Jahren im Norden Europas zog es ihn ins südliche Italien. Dort arbeitete er fünf Jahre bei der Firma Pharmacia in Nerviano, bevor er sich 2004 entschloss, wieder in die akademische Forschung zurückzukehren. An der Universität Oxford arbeitete er in den vergangenen 11 Jahren auf dem Gebiet der Strukturbiologie und der Wirkstoffentwicklung. Mit der Goethe-Universität verbinden Stefan Knapp seit Jahren Forschungskooperationen. An seinen neuen Kollegen in der Pharmazie schätzt er außerdem, dass sie in der Lehre „extrem engagiert“ sind.
Informationen: Prof. Stefan Knapp, Institut für Pharmazeutische Chemie, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-29871, Knapp@pharmchem.uni-frankfurt.de.
Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 gegründet mit rein privaten Mitteln von freiheitlich orientierten Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern fühlt sie sich als Bürgeruniversität bis heute dem Motto "Wissenschaft für die Gesellschaft" in Forschung und Lehre verpflichtet. Viele der Frauen und Männer der ersten Stunde waren jüdische Stifter. In den letzten 100 Jahren hat die Goethe-Universität Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Chemie, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften."