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Immunonkologie: Wunderwaffen oder teure Innovationen?
Die Immunonkologie ist heute der wichtigste Forschungsbereich der Krebsmedizin. Mit Hilfe von Immuntherapien soll das Immunsystem von Patienten Krebszellen erkennen und angreifen können. Das menschliche Immunsystem regelt durch hemmende und aktivierende Mechanismen die Immunreaktion des Körpers. Tumore bedienen sich dieser Immunkontroll-punkte oder auch Checkpoints und setzen so die Immunabwehr außer Kraft. So genannte Checkpoint-Inhibitoren sollen das Immunsystem dazu bringen, wieder aktiv zu werden und die Krebszellen zu bekämpfen. Doch leisten die neuen hochpreisigen Medikamente das, was sie versprechen?
Prof. Vinay Prasad von der Oregon Health & Sciences University publizierte im Oktober 2017 eine Studie im renommierten British Journal of Medicine. Untersucht wurden neue molekulargenetisch hergestellte Wirkstoffe, die zur Kategorie der molekularen Antikörper, Angiogenese-Hemmer oder Checkpoint-Inhibitoren zählen. Die Forscher bewerteten 48 Krebsmedikamente, die von 2010 bis 2013 für 68 Indikationen zugelassen worden sind. Lediglich bei sieben Medikamenten, also weniger als 10 Prozent der Indikationen, gab es Hinweise auf eine Verbesserung der Lebensqualität. Bei den 24 Indikationen mit Überlebens-vorteil betrug der Lebenszeitgewinn zwischen 1 und 5,8 Monaten (Medianwert: 2,7 Monate). „Den Beweis dafür, dass diese Medikamente die Überlebensrate verlängern oder die Lebensqualität der Patienten verbessern können, blieben sie schuldig“, sagt Dr. med. György Irmey, Ärztlicher Direktor der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr in Heidelberg.
Immunonkologische Medikamente sind sehr teuer. Der Preis für eine einzige Infusion mit einem PD-1-Inhibitor beträgt schnell über 10.000 Euro. Kombinationstherapien, bei-spielsweise zur Behandlung des malignen Melanoms, können mehr als 200.000 Euro im Jahr kosten. „Innnovation ist hinsichtlich ihres Nutzens für die Patienten zu betrachten und nicht im Lichte der Gewinnmaximierung für Unternehmen”, kritisiert Dr. med. György Irmey. Hinzukommen die teilweise gravierenden Nebenwirkungen durch das überaktive Immun-system. So müssen Behandlungen wegen der Autoimmunreaktionen abgebrochen werden oder die Patienten mit Kortison behandelt werden.
Kein klarer Nutzen bei vielen Tumoren
Neue Onkologika haben die Überlebenszeit von Krebspatienten in den vergangenen zwölf Jahren im Schnitt um 3,4 Monate verlängert. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung von Dr. Sebastian Salas-Vega von der London School of Economics and Science. Er bewertete die 53 Krebsmedikamente, die zwischen 2003 und 2015 in Großbritannien, Frankreich und Australien neu zugelassen worden sind. Eine verbesserte Sicherheit im Vergleich zur bisherigen Therapie konnte nur für acht (15%) der 53 Präparate attestiert werden. Auf wenige Tumorkrankheitsbilder sprach die Therapie besser an, etwa bei Brustkrebs mit 8,5 Monaten Überlebensvorteil. Bei der Mehrzahl der Tumorerkrankungen lagen die Werte unter drei Monaten oder die Medikamente zeigten überhaupt keine Wirkung. Dies wirft die Frage auf, ob die hohen Preise neuer Arzneien zu rechtfertigen sind.
Unabhängige Forschung fehlt
Fast 90 Prozent der klinischen Phase-III-Studien werden von kommerziellen Sponsoren finanziert, stellte das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in einer Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt vom 9. März 2018 fest. 2017 wurden lediglich 33 von 256 Studien in Deutschland aus unabhängigen Quellen bezahlt. In Phase-III-Studien beobachten die Forscher die Wirkungen von Medikamenten vor ihrer Zulassung an möglichst vielen Probanden. „Die Industrie definiert, was zu untersuchen ist. Wir benötigen Studien, die sich an den Menschen und ihren Bedürfnissen orientieren und auch komplementäre Verfahren systematisch einbezieht”, fordert Dr. György Irmey.
Literaturquellen:
Davis C, Aggarwal A et al.: Availability of evidence of benefits on overall survival and quality of life of cancer drugs approved by European Medicines Agency: Retrospective cohort study of drug approvals 2009–2013. BMJ 2017 (Verfügbarkeit der Beweise zu den Vorteilen auf die Gesamtüberlebensrate und Lebensqualität infolge von Krebsmedikamenten, die von der EMA zugelassen wurden: Eine retrospektive Kohortenstudie von Arzneimittelzulassungen von 2009 bis 2013)
Osterloh, Falk: Klinische Studien Ruf nach mehr Unabhängigkeit. Deutsches Ärzteblatt Jg.115, Heft 10, 9. März 2018
Ärztezeitung 17. Januar 2017: Was neue Onkologika tatsächlich bringen?
Die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V. (GfBK) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein, der seit 36 Jahren Krebspatienten, Angehörige und Therapeuten unterstützt. Mit über 12.000 Mitgliedern und Förderern ist sie die größte Beratungs-organisation für ganzheitliche Medizin gegen Krebs im deutschsprachigen Raum.
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