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Europäische Gesundheitspolitik
Gesundheitsanliegen in Europa sichtbar machen
„Europa-kritische Parteien haben bei den aktuellen Wahlen in Deutschland und Österreich, um nur die aktuellsten Beispiele zu nennen, ein erhebliches Maß an Zustimmung verzeichnet. Im kommenden Jahr finden Wahlen zum Europaparlament statt, und die Prognose liegt durchaus nahe, dass auch hier die Bürger/-innen Europa-skeptische Parteien stärken werden. Das ist nicht zuletzt ein Ausdruck eines verbreiteten Vertrauensverlust in die Union im Gefolge der Krise und der einschneidenden Sparmaßnahmen“, sagte heute Prof. Helmut Brand, Präsident des European Health Forum Gastein (EHFG) in der Abschlusspressekonferenz des EHFG 2013.
Das sei die eine Seite des Ausblicks auf 2014, so der EHFG-Präsident: „Die andere Seite ist: Das EU Parlament wird mehr Macht bekommen, es wird erstmals den Kommissionspräsidenten wählen. Die Kommission bekommt neue Mitglieder – auch eine/-n neue/-n Gesundheitskommissar/in. Und die Karten werden wohl auch bezüglich des EU-Vertrags neu gemischt werden, schon um Maßnahmen, wie sie im Zuge der Finanzkrise ergriffen wurden, in den bestehenden rechtlichen Rahmen zu integrieren.“ Von der Ergänzung des Vertrags durch einzelne neue Bestimmungen über bi- oder multilaterale Übereinkommen bis hin zu einer völligen Neugestaltung sei hier viel möglich. Auf das Gesundheitsmandat der EU werde eine Diskussion um den Inhalt des Vertrags in jedem Fall Auswirkungen haben, betonte Prof. Brand.
„Wenn wir auf die 20 Jahre seit Etablierung des Mandats zurückblicken, hat es sehr wichtige Entwicklungen in Richtung einer 'Europäisierung' des Themas öffentliche Gesundheit gegeben“, zog Prof. Brand Bilanz. In der Kommission wurden mit einer eigenen Generaldirektion für Gesundheit und den EU-Agenturen für öffentliche Gesundheit neue Strukturen geschaffen, Gesundheitsprogramme und eine Gesundheitsstrategie wurden entwickelt. Der Europäische Gerichtshof hat zu wichtigen Klarstellungen beigetragen, zum Beispiel bei der Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung. Auch Krisen wie BSE, SARS oder H1N1 haben dazu beigetragen, die Kooperation und Koordination auf europäischer Ebene zu stärken.
Prof. Brand: „Mit einer möglichen Neuverhandlung des Vertrags sind im Bereich Gesundheitswesen sehr unterschiedliche Szenarien vorstellbar. Zum einen könnte es in Richtung einer deutlichen Stärkung des Gesundheitsmandats gehen, um die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre auch auf dieser Ebene nachzuvollziehen.“ Zum anderen sei aber auch denkbar, dass Gesundheitsfragen einmal mehr zur Manövriermasse für Verhandlungen werden, und dass sich die Mitgliedsstaaten in diesem Bereich nationale Kompetenzen zurückholen wollen, die sie in anderen Bereichen verloren haben. „Am Ende könnte ein schwächeres Gesundheitsmandat stehen, als wir es heute haben“, sagte Prof. Brand. „Das ist aus meiner Sicht nicht wünschenswert. Denn durch EU-weites Vorgehen verbessert sich in vielen Fällen sehr konkret der Gesundheitsschutz von mehr als 500 Millionen Bürgern/-innen, was mit individuellen Aktionen einzelner Länder in dieser Form nicht möglich wäre.“
Daher sollte das Europawahljahr 2014 dazu genutzt werden, Gesundheit in Europa sichtbar zu machen und wo immer möglich zu thematisieren, „wie wir das hier beim European Health Forum Gastein in vielfältiger Weise tun“, so der EHFG-Präsident. „Damit können wir für die Zeit nach den Wahlen, für die Neuformierung der Kommission und die mögliche Neuverhandlung des Vertrags das Thema Gesundheit in Position bringen und dazu beitragen, dass am Ende ein gestärktes, kein abgeschwächtes EU Gesundheitsmandat steht.“ Das EHFG 2014 werde jedenfalls die großen Themen für die neue Legislaturperiode von Kommission und Parlament diskutieren.
„Resiliente und innovative Gesundheitssysteme in Europa“ ist das Motto des diesjährigen EHFG. Mehr als 550 Teilnehmer/-innen aus rund 45 Ländern nutzen Europas wichtigste gesundheitspolitische Konferenz in Bad Hofgastein zum Meinungsaustausch über zentrale Fragen europäischer Gesundheitssysteme.