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EU-Vergleich
ÖsterreicherInnen häufiger beim Arzt, aber nicht gesünder
"Die Inanspruchnahme des österreichischen Gesundheitssystems ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern sehr hoch und unkoordiniert", erklärt Kathryn Hoffmann von der Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin am Zentrum für Public Health der MedUni Wien. Das spiegelt sich aber nicht in einer besseren Gesundheit oder einer höheren "Lebenserwartung in Gesundheit" wider. Zum Beispiel liegt Österreich bei der "Lebenserwartung in Gesundheit" ab 65 Jahren unter dem EU 27-Schnitt. Andererseits führen die zahlreichen Facharzt- und Ambulanzbesuche zu überdurchschnittlich hohen Kosten.
Abhilfe schaffen würde laut Hoffmann eine verbindliche Koordinierungsfunktion durch Hausärzte, wie zahlreiche Beispiele aus anderen EU-Ländern mit besseren Ergebnissen zeigen. Hoffmann: "Hausärzte könnten beispielsweise ihren PatientInnen beim Weg durch das immer komplexere Gesundheitssystem helfen und so mehrfache, unnötige und belastende Untersuchungs- und Therapieverfahren vermeiden."
Laut einer von Hoffmann geleiteten und im Top-Journal European Journal of Public Health erschienenen Studie liegt der Anteil der ÖsterreicherInnen, die Fachärzte im ambulanten Sektor mindestens ein Mal pro Jahr konsultieren, bei 67,4%. In Ländern wie Norwegen (17%), Irland (24,8%) oder den Niederlanden (12,8%) ist der Prozentsatz jedoch deutlich geringer.
Auch die Möglichkeit, in Österreich einen Facharzt direkt ohne vorherige Konsultation und Überweisung von einem Hausarzt aufzusuchen, wird intensiv genutzt: Fast jede sechste Person, die mindestens ein Mal pro Jahr einen Facharzt aufsucht, jede elfte Person, die eine Ambulanz aufsucht und jede zwölfte Person, die einen Aufenthalt im Krankenhaus hatte, konsultierte im gleichen Zeitraum keinen Hausarzt.
Den Grund dafür sehen die StudienautorInnen in einer fehlenden Koordinierung im österreichischen Gesundheitssystem. Diese könne sich sogar negativ auf die PatientInnen auswirken. Dazu Hoffmann: "Es können zum Beispiel relevante Gesundheitsprobleme übersehen werden, wenn die Diagnostik nur in eine bestimmte Fachrichtung betrieben wird und der Gesamtblick auf die individuellen Betroffenen verloren geht."
Darüber hinaus resultiert eine fehlende Koordinierung häufig in unnötigen, die Menschen belastenden und manchmal sogar gefährlichen Untersuchungen oder in Medikamentenverordnungen, die nicht aufeinander abgestimmt sind.