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Organspende
Organspende-Talk mit Niedersachsens Sozialministerin Rundt und DGB-Chef Sommer
Auch in Niedersachsen gibt es einen deutlichen Einschnitt: Die Zahl der gespendeten Organe ging von 310 2011 auf 222 in 2013 zurück (Zahlen jeweils von Januar bis November). Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung besitzen derzeit 22 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger einen Organspendeausweis.
Mit der landesweiten Kampagne „Du fehlst mir!" macht sich die Niedersächsische Landesregierung daher für das Thema Organspende stark. Ziel des prominent besetzten Organspendetalks des Niedersächsischen Sozialministeriums war es zu informieren und aufzuklären, um verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen.
Einig waren sich DGB-Chef Michael Sommer, Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt, der evangelische Ethiker Dr. Michael Coors, DSO-Nord-Geschäftsführer Dr. Matthias Kaufmann und Transplantationsmediziner Prof. Axel Haverich mit Patientinnen und Patienten darüber, dass sich jeder einzelne mit dem Thema Organspende auseinandersetzen sollte.
Sommer, der seiner Frau im September vergangenen Jahres eine Niere spendete, forderte: „Prüfen Sie sich selbst ob sie wollen - ja oder nein, nicht mehr und nicht weniger. Wir haben wahrscheinlich 25 zukünftige Jahre geschenkt bekommen - unsere Nieren zumindest sollten beide noch 25 Jahre funktionieren", sagte der 63-Jährige. Er trägt einen Organspendeausweis bei sich.
Für Pastor Dr. Michael Coors, Theologischer Referent am Zentrum für Gesundheitsethik (ZfG) an der Evangelischen Akademie Loccum, ist es selbstverständlich, dass Entscheidungen zum Thema Organspende unterschiedlich ausfallen: „Die oft aufgemachte Alternative - ich spende, also bin ich Altruist. Ich spende nicht, also bin ich Egoist, stimmt so nicht." Elementar sei für jeden einzelnen die Frage: Was bedeutet Sterben für mich? Was bedeutet für mich der Tod? Können meine Angehörigen von mir Abschied nehmen? „Jeder sollte eine Entscheidung treffen. Aber die Entscheidung ist eine sehr persönliche und kann keinen vorgegebenen Ausgang haben."
Diesen Blickwinkel akzeptiert auch Egbert Trowe, stellvertretender Vorsitzender Lebertransplantierte Deutschland e.V, der selbst einer gespendeten Leber sein Leben verdankt. Allerdings mahnt er an: „Eine Ablehnung sollte aber möglichst gut begründet sein. Für mich ist Organspende gelebte Solidarität."
Für Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt ist es klar, dass sie selbst spenden möchte: „Jeder von uns kann durch eine Krankheit oder einen Unfall in die Situation kommen, dringend eine Organspende zu brauchen, um zu überleben. Die Entscheidung für eine Organspende heißt, anderen Menschen möglicherweise das Leben zu retten. Eine eigene und selbstbestimmte Entscheidung entlastet auch die Angehörigen."
Da ist sie sich mit Prof. Axel Haverich, Transplantationsmediziner von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), einig, der die Änderungen im Transplantationsgesetz begrüßt: „Ich selbst habe viele schwierige Gespräche mit Angehörigen geführt", erzählt er. „Einige haben anschließend bereut, dass sie abgelehnt haben. Andere haben bereut, dass sie zugestimmt haben." Es sei wichtig, dass jeder für sich selbst eine Entscheidung treffe. „Für eine große Zahl von Kranken ist und bleibt die Organtransplantation die einzige Chance zum Überleben. Der Rückgang der Organspende in den vergangenen zwei Jahren hat katastrophale Konsequenzen für eine Vielzahl Betroffener auf der Warteliste."
Sommer unterstützt Haverich in diesem Punkt: „Je mehr Menschen spenden, desto weniger problematisch ist es. Die Ereignisse, die zu der Verunsicherung geführt haben, sind ja auch ein Ergebnis des Mangels an Organen." Und er wirbt um Vertrauen: „In meiner Zeit im Krankenhaus habe ich viel mit den Ärzten gesprochen. Ich habe sehr nachdenkliche, ethisch und moralisch verantwortungsbewusste Menschen kennengelernt."
Dr. Matthias Kaufmann, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) Nord weist darauf hin, dass das Transplantationsgesetz nach den 2012 bekannten Manipulationen der Warteliste geändert worden ist und die Kontrollen verstärkt worden sind. Für ihn ist klar: „Organspende hat nicht an Wert verloren. Jeder von uns kann in die Lage geraten, auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein."
Die 14-jährige Jasmin aus Laatzen wartet seit 20 Monaten auf ein Spenderherz. Sie hat eine klare Meinung zu den Ereignissen, die zu einem Einbruch der Spenderzahlen geführt haben: „Es ist blöd, dass der Arzt das Organ unterschlagen und jemandem gegeben hat, der es nicht so dringend brauchte und deshalb vielleicht ein anderer gestorben ist. Ich wünsche mir, dass mehr Leute spenden, damit mehr Leute leben können."
Jörg Böckelmann, der mit einem Kunstherzen lebt und auf ein Spenderherz wartet, hat durch seine Erfahrungen einen neuen Blick auf das Leben gewonnen: „Es ist für viele Menschen fast unvorstellbar, auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein. Die Angst, dass die Zeit bis zu diesem Geschenk nicht reichen könnte, ist fast unerträglich. Dieses erleben zu müssen, kann aber auch neue, unbekannte Türen öffnen, hinter denen sich andere schöne Erlebnisse und Menschen befinden."