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Tabak- und Nikotinkonsum
Appell für Schadensminderung und Stärkung der Eigenverantwortung
Allerdings können oder wollen je nach Umfrage bis zu 60% der Raucherinnen und Raucher ihren Konsum nicht einstellen. Man darf diese Menschen jedoch nicht im Regen (oder Rauch) stehen lassen.
Univ.-Doz. Dr. med. Ernest Groman, wissenschaftlicher Leiter des Nikotin Instituts Wien, wünscht sich ein verstärktes Angebot sowie fundierte wissenschaftliche Aufklärung über Ersatzprodukte für Raucherinnen und Raucher, die nicht aufhören können oder wollen: „Der Weltnichtrauchertag steht jährlich unter einem anderen Motto, das den Goldstandard des kompletten Zigarettenrauchstopps im Fokus hat. Es fehlt allerdings die Sichtweise auf Möglichkeiten, wenn der Rauchstopp nicht gelingt oder nicht gewollt ist. Hier braucht es ein Umdenken – weg vom „Abstinenz oder stirb“-Ansatz hin zur Aufklärung über Alternativen.“
Auf schadstoffreduzierte Produkte umsteigen
Für Raucherinnen und Raucher, die nicht aufhören können, stellt der Umstieg auf weniger schädliche verbrennungsfreie Alternativen wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer oder Nikotinbeutel einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar.
Schadenskontrolle ist ein etablierter Weg in der Medizin, wie zum Beispiel bei der Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder Hypercholsteinämie (erhöhten Blutfetten). Hier steht nicht eine Heilung, sondern eine Schadensreduktion im Fokus. Genau darum geht es auch bei einem kompletten Umstieg auf rauchfreie Alternativprodukte, nämlich den Schaden im Vergleich zum weiteren Zigarettenkonsum zu reduzieren.
Schadensminderung im Allgemeinen beschreibt Maßnahmen, Strategien und Praktiken, die darauf abzielen, die negativen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen menschlicher Verhaltensweisen zu reduzieren.
Dies sollte auch ein Gebot der Ethik sein!
Das Konzept der Schadensminderung bietet auch die Möglichkeit in Kontakt mit Raucherpopulationen zu kommen, die schon längst aufgegeben haben, und die vielleicht schon an einer zigarettenassoziierten Erkrankung leiden. Sie soll helfen, vor einem kompletten Rückfall zu bewahren und zum Umdenken anregen.
„Der Schlüssel hierzu ist die Eigenverantwortung der Raucherinnen und Raucher. Speziell für rauchende Menschen ohne Rauchstoppmotivation kann deshalb der komplette Umstieg auf risikoreduzierte Produkte ohne Tabakverbrennung ein Weg sein, den negativen Einfluss auf sich selbst und die Umgebung zu verringern. Auch wenn diese Produkte keineswegs gesund sind, sind diese eine bessere Alternative zum Zigarettenrauchen. Doch Eigenverantwortung braucht Aufklärung“, betont Univ.-Doz. Dr. med. Ernest Groman.
Verfügbarkeit von Informationen forcieren
Fehlende fachgerechte Informationen verhindern Umstiegs- und indirekt auch Abstinenzversuche. Weiters fördert dies das Entstehen und Verbreiten von “Alternativmeinungen” und “Eigeninterpretationen” (wie zum Beispiel: “eh alles gleich gefährlich, da kann ich gleich rauchen”). Es sollte daher vermehrt in Aufklärung und Anreize im Bereich der Lebensstilveränderung – zum Umstieg weg von der Zigarette hin zu jenen Angeboten, die eine deutliche Risikoreduktion darstellen – im Sinne der Eigenverantwortung intensiviert werden. Nur so kann man langfristig das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung stärken und nachhaltig verändern.
Hintergrundinformationen
Univ.-Doz. Dr. med. Ernest Groman ist Arzt und Experte für Programme zur Rauchentwöhnung. Als wissenschaftlicher Leiter des Nikotin Institutes Wien organisiert und führt er unter anderem in Zusammenarbeit mit den österreichischen Sozialversicherungsträgern seit mehr als 20 Jahren Rauchentwöhnungsprogramme durch.
Das Nikotin Institut Wien wurde 1998 gegründet und bietet Hilfestellungen für Rauchende, die die Abstinenz vom Zigarettenkonsum erreichen bzw. ihren Konsum langfristig reduzieren wollen. Im Zentrum steht dabei die Reduktion von tabakassoziierten Erkrankungen. Im Rahmen dieser Zielsetzung kommen dem Institut Aufgaben wie Diagnose, Therapie und Information der Öffentlichkeit und des Gesundheitssystems zu. Weltweit gibt es nur wenige vergleichbare Institutionen. Weitere Informationen finden Sie unter: www.nikotininstitut.at