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SRH Wald-Klinikum Gera
Hoffnung im Kampf gegen Lungenkrebs
Eine neue Immuntherapie kann bestimmte Formen von Lungenkrebs, dessen Heilungs-Chancen bisher gering sind, in seinem Wachstum stoppen, im besten Fall sogar zurückdrängen. Die höchste Wirksamkeit wird derzeit beim Plattenepithelkarzinom erzielt, das vor allem bei Rauchern auftritt. Aber es gibt die Hoffnung, den Ansatz auch auf andere Krebsarten auszuweiten.
Nivolumab, so heißt das Medikament, wird noch im Sommer zugelassen und ist auf dem Weg, neben der Operation und der Chemotherapie, eine neue Standardtherapie zu werden. An den dafür notwendigen klinischen Studien waren auch Patienten unseres Lungenkrebszentrums beteiligt. Jährlich werden im ehemaligen Uranbergbaugebiet 260 Neuerkrankungen verzeichnet. Auch deswegen liegt Prof. Lang die Beteiligung an der Studie besonders am Herz: „Es ist ein großes Glück, dass wir dank unseres Zentrums für Klinische Studien unseren Patienten solche Neuentwicklungen zugängig machen können.“ Im Vorjahr wurde die Studie mit schwerkranken Patienten begonnen, die bereits eine Operation oder Chemotherapie hinter sich hatten. „Wir konnten in allen Fällen das Tumorwachstum aufhalten, in einem Fall hat sich der Tumor begonnen zurückzubilden“, so Prof. Lang. Ähnliche Erfahrungen wurden kürzlich auf dem ASCO in Chicago, der weltweit größten Tagung zu Tumorerkrankungen der Organe, vorgestellt. Allerdings profitierten nicht alle Patienten von der Therapie.
„Die Idee ist, mit einem PD 1 Antikörper, der über die Vene gegeben wird, das eigene Immunsystem anzustacheln“, erklärt der ärztliche Leiter des Zentrums für Klinische Studien, Chefarzt Dr. Martin Kaatz. „Tumorzellen haben nämlich Strategien entwickelt, sich mit einer Art schwarzem Regencape zu tarnen, so dass die Immunabwehr sie nicht erkennt. Der PD 1-Antikörper blockiert einen speziellen Rezeptor von Immunzellen (überwiegend der sogenannten T-Zellen), der über die Aktivität und Fähigkeiten dieser Zellen entscheidet. Tumorzellen verfügen häufig über einen Schlüssel zu diesem Rezeptor und können sie damit ruhigstellen. Ist der Rezeptor durch den Antikörper schon blockiert, gelingt es der Tumorzelle nicht mehr, die Immunzelle zu inaktivieren. Damit werden die Immunzellen wieder gegen den Tumor aktiv.“
Es ist eine Revolution, aber nicht ohne Nebenwirkungen: Die Immuntherapie sei in vielen Belangen zwar verträglicher als eine Chemotherapie, „allerdings können sogenannte Autoimmunerkrankungen, die mit einer Entzündung in verschiedenen Organsystemen einhergehen, auftreten" erklärt Kaatz, der den Therapieansatz seit drei Jahren in Hautkrebs-Studien begleitet. In Einzelfällen verhalte sich das Immunsystem dann wie ein Auto, dessen Bremse gelöst wurde. Es richtet sich gegen körpereigenes Gewebe und löst somit Entzündungen im Darm, der Leber, den Drüsen oder der Lunge aus. „Durch die Erfahrungen bei Patienten mit schwarzem Hautkrebs“, sagt Dr. Kaatz „können wir diese Nebenwirkungen aber frühzeitig erkennen und entsprechend behandeln.“
In den Studien am Haus zeigte sich, dass die Wirksamkeit von Immuntherapien auch anhalten kann, wenn die Therapieserie bereits beendet ist. Aber wie sehen Langzeiterfolge aus? Wie wirkt das Prinzip auf andere Krebsarten? Warum sprechen Patienten verschieden auf das gleiche Medikament an? In welchem Stadium ist welche Therapie die aussichtsreichste? Dazu wird es noch viel Forschungsarbeit geben, auch weil die Immuntherapie teuer ist und von der Gemeinschaft getragen werden soll. Am Ende kommt es darauf an, das beste Konzept für jeden einzelnen Patienten zu finden. „Dabei wird jede Option ihren Platz einnehmen, zumal eine frühzeitige Operation dem Patienten immer noch die größten Heilungsaussichten verspricht. Bei einer fortgeschrittenen Erkrankung haben wir nunmehr jedoch die Möglichkeit in einem Fachgremium zu entscheiden, ob ein Patient von einer Chemotherapie, einer Bestrahlung oder einer der neuen Immuntherapien am meisten profitiert“, sagt Dr. Kaatz.
Fest steht aber auch, das ist erst der Anfang eines neuen Weges. Derzeit sind über ein Dutzend weitere Medikamenten in der Erforschung. „Auf diesen Durchbruch", sagt Prof. Lang, „haben Patienten, aber auch wir Ärzte viele Jahre gewartet.“