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Kommunikation
Mit Kindern offen über Krebs reden
Und sie erleben die Veränderungen im Alltag. Wird nicht darüber gesprochen, malen sich Kindern in ihrer Fantasie schlimme Dinge aus. „Eltern sollten so früh wie möglich über die Krebs-erkrankung eines Elternteils sprechen, auch mit kleinen Kindern”, empfiehlt Dr. med. György Irmey, Ärztlicher Direktor der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V. (GfBK) in Heidelberg.
Hohe emotionale Belastung
Schätzungsweise 200.000 Kinder und Jugendliche erleben jährlich in Deutschland, dass Vater oder Mutter an Krebs erkranken. Die Kinder belastet die Erkrankung stark. Manche ziehen sich zurück, andere verhalten sich aggressiv, werden in der Schule schlechter, zeigen körperliche Symptome. Etwa ein Drittel der Kinder mit einem ernsthaft kranken Elternteil zeigt psychische Auffälligkeiten. Das ermittelte die COSIP-Studie („Children of Somatically Ill Parents”), an der zwischen 2002 und 2005 Wissenschaftler aus acht europäischen Ländern beteiligt waren. Laut Hamburger COSIP-Studie waren ängstlich-depressive Zustände und somatisierende Beschwerden in allen Alters-gruppen (vier bis 17 Jahre) die häufigsten Störungen.
Offenheit stärkt das Vertrauen
Spüren Kinder, dass „etwas in der Familie nicht stimmt“ – und verheimlichen Eltern dies, verunsichert das Kinder. Kann ich dem trauen, was ich wahrnehme? Kann ich den Eltern trauen, wenn sie mir etwas verheimlichen? Offenheit hingegen schafft Vertrauen. Kinder können sich auch während der Krankheit auf ihre Eltern verlassen - die eigene Wahrnehmung wird gestärkt. In einer qualitativen Studie im Rahmen des dänischen COSIP-Projektes betonten die befragten Kinder, dass es ihnen wichtig war, gut über die Krankheit von Vater oder Mutter Bescheid zu wissen. Sie wollten auch in schwierigen Zeiten miterleben, wie es den Eltern geht.
„Bin ich Schuld am Krebs meiner Mama?”
Vor allem jüngere Kinder stellen sich manchmal vor, sie seien schuld an der Krebserkrankung des Vaters oder der Mutter, weil sie „böse” waren, nicht gehorcht haben u. a. Sie machen sich dann Selbstvorwürfe. „Deshalb brauchen Kinder immer wieder die Information, dass sie keine Schuld an der Krankheit tragen und geliebt werden”, sagt Dr. Dr. Irmey weiter.
Für Annette Rexrodt von Fircks war es einer der schwierigsten und schmerzhaftesten Aufgaben während ihrer Krebserkrankung, „den goldenen Mittelweg zu finden: meinen Kindern nichts zu verheimlichen, ohne sie ihrer Kindheit zu berauben.” Sie sprach über den Brustkrebs und stellte sich den Fragen ihrer drei Kinder. „Ist Krebs ein Tier, und ist das böse?" fragte die Tochter. Ob sie an Krebs sterben und er selbst auch die Krankheit bekommen könnte, fragte ihr siebenjähriger Sohn. Nach ihren Erfahrungen während der Krebserkrankung gründete Annette Rexrodt von Fircks eine Stiftung für krebskranke Mütter und ihre Kinder. Die Stiftung entwickelt und fördert Projekte, um Mütter in ihrer Mutterrolle zu stärken und Kindern zu helfen, ihre eigenen Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Dem Alter angemessen über die Krankheit reden
„Eltern sollten authentisch sein, wenn sie mit ihren Kindern über die Krebserkrankung reden”, empfiehlt Dr. med. Nicole Weis. Die Ärztin der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V. berät an Krebs Erkrankte. Das heißt, je nach Alter des Kindes, nicht nur informieren, sondern auch über die eigenen Gefühle zu sprechen. Kleine Kinder zwischen drei und sechs haben oft noch große Angst vor der Trennung von den Eltern. Sie nehmen Veränderungen im Alltag besonders stark wahr. Fachleute empfehlen kurze und knappe Informationen: Die Krankheit heißt Krebs und sie ist nicht ansteckend. Was Mama oder Papa tun, dass es ihnen wieder besser geht. Was sich im Alltag verändern wird – und vor allem auch: was gleich bleibt. Kinder im Schulalter brauchen Zeit und Raum für Gespräche. Dann könne sie das fragen, was sie brauchen. Wichtig ist, dass das Kind ohne schlechtes Gewissen alle seine Gefühle äußern kann: Angst, Wut, Trauer, Freude.
Kinder und Jugendliche fühlen sich in der Krisensituation schnell verantwortlich. „Eltern sollten nicht zulassen, dass das Kind die Rolle der Erwachsenen einnimmt”, sagt Dr. Nicole Weis weiter. Wenn sie zu viel Verantwortung tragen, verzichten sie auf eigene Wünsche und Bedürfnisse.
Die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr unterstützt Mütter und Väter dabei, mit ihren Kindern über ihre Erkrankung zu sprechen. Die kostenfreie Beratung ist montags bis donnerstags von 09:00 - 16:00 Uhr (freitags 09:00-15:00 Uhr) unter 06221 138020 erreichbar.
Weitere Informationen
Ein Interview mit Annette Rexrodt von Fircks ist auf der Website der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr verfügbar:
Zum Interview
Auf der Website der Rexrodt von Fircks Stiftung gibt es Fachartikel wie „Mit Kindern über Krebs reden” als Download.
Zur Website
Der Verein „Hilfe für Kinder krebskranker Eltern e. V.” hat die App „Zauberbaum“ entwickelt. Sie bietet kindgerechte Erklärungen über die Erkrankung und ihre Therapie sowie für Eltern Gesprächsleitfäden als Einstieg in das schwierige Gespräch. Zur App
Die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V. (GfBK) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein, der seit 34 Jahren Krebspatienten, Angehörige und Therapeuten unterstützt. Mit über 12.000 Mitgliedern und Förderern ist sie die größte Beratungsorganisation für ganzheitliche Medizin gegen Krebs im deutschsprachigen Raum. Die GfBK setzt sich ein für eine individuelle, menschliche Krebstherapie, in der naturheilkundliche Methoden besonders berücksichtigt werden. Die Gesellschaft berät kostenfrei und unabhängig über bewährte biologische Therapieverfahren. Die Arbeit wird ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und private Spenden finanziert. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hat der GfBK das Spendensiegel zuerkannt.