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Universitätsklinikum CGC Dresden
Neues Zentrum am Dresdner Uniklinikum setzt sich für „Stiefkinder der Medizin“ ein

Dazu koordiniert das USE hochspezialisierte Diagnostik- und Therapieverfahren. Patienten mit unklarer Diagnose oder auch unbekannter Diagnose werden im Rahmen fachspezifischer, interdisziplinär angelegter Fallkonferenzen besprochen, um eine adäquate medizinische Versorgung einzuleiten. Die am Zentrum beteiligten Kliniken und Zentren des Uniklinikums sind auch in der Forschung aktiv, um Krankheitsmechanismen besser zu verstehen.
Dies ist die Basis dafür, innovative Diagnostik und Therapie für seltene Erkrankungen anbieten zu können. Das Dresdner Zentrum arbeitet darüber hinaus eng mit den anderen in Deutschland etablierten Zentren für Seltene Erkrankungen sowie mit vielen Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen zusammen. „Wenn eine Erkrankung nur wenige hundert Menschen oder gar nur einzelne Familien betrifft, stellt das die Medizin vor große Herausforderungen. Vor allem die Universitätsklinika spielen hier seit jeher eine entscheidende Rolle: Sie bündeln naturgemäß die erforderliche fachliche Vielfalt und Expertise. Und doch ist es auch für die Universitätsmedizin immer wieder eine Herausforderung, Patienten mit seltenen Erkrankungen über die Grenzen der einzelnen Fächer hinweg optimal zu versorgen. Deshalb stand es für das Universitätsklinikum außer Frage, im Sinne des vor einem Jahr beschlossenen Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Seltenen Erkrankungen ein entsprechendes Zentrum zu gründen, um die Abläufe von Diagnose und Therapie zu optimieren“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums.
Das UniversitätsCentrum für Seltene Erkrankungen hat es sich zur Aufgabe gemacht, medizinische Expertise fachübergreifend zu bündeln und diese den Patienten mit seltenen Erkrankungen zur Verfügung zu stellen. Damit lassen sich die Wege zur richtigen Diagnose verkürzen, eine kompetente Beratung sicherstellen und Zugangswege zu bestmöglichen Therapien anbieten. Auf diese Weise leisten das USE und die 19 weiteren deutschen Zentren einen wichtigen Beitrag dafür, die Leiden von Patienten mit seltenen Erkrankungen schneller zu erkennten und zu behandeln. „In vielen Fällen sind die Betroffenen ‚Stiefkinder der Medizin‘“, so Prof. Albrecht: „Der Aufbau des USE ist deshalb der Beginn einer besser strukturierten, interdisziplinär ausgerichteten Versorgung von Menschen, die unter seltenen Erkrankungen leiden.“ Für die deutschen Uniklinika als Krankenhäuser Supramaximalversorgung ist dies eine Kernaufgabe, die allerdiings nicht adäquat bezahlt wird. Deshalb fordert der Verband Universitätsklinika Deutschlands (VUD) eine entsprechende Zusatzvergütung. Um Politik und Öffentlichkeit auf die Leistungen der Universitätsmedizin und deren problematische Finanzsituation aufmerksam zu machen, veranstaltet der VUD ab dem 10. November eine Aktionswoche, an der sich auch das Dresdner Uniklinikum beteiligt.
Da Seltene Erkrankungen häufig ‚systemisch‘ sind und gleichzeitig in mehreren Organsystemen auftreten, bedürfen sie einer komplexen, interdisziplinären und multiprofessionellen Diagnostik und Behandlung. Der Erstkontakt zum Patienten beziehungsweise zum überweisenden Arzt erfolgt über die eigens im USE eingerichtete Koordinationsstelle. Mit Hilfe von Fragebögen und auf der Basis von Vorbefunden erfasst das USE zunächst aktuelle Beschwerden sowie die bisherige Anamnese des Hilfesuchenden. Auf Grundlage dieser Unterlagen werden Patienten dann entsprechenden Experten zugewiesen oder aber in interdisziplinären Fallkonferenzen besprochen.
USE sichert enge Verknüpfung von Forschung und Krankenversorgung
Die 17 am USE beteiligten Kliniken, Institute und Zentren des Uniklinikums sind auch in der Forschung aktiv, um Krankheitsmechanismen besser zu verstehen und in Zukunft Patienten mit seltenen Erkrankungen innovative Formen der Diagnostik und Therapie anbieten zu können. Hierfür wurden im USE zunächst vier Schwerpunktbereiche definiert, die Diagnose, Therapie und Forschung eng verknüpfen. Dies sind die „Immunologie-Autoinflammation-Autoimmunität-Infektion“, „Neurologie-Psychiatrie“, „Endokrinologie-Stoffwechsel“ und „Hämatologie-Onkologie“. Das USE ist darüber hinaus auch in weiteren Fachgebieten aktiv und arbeitet im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft eng mit den weiteren Zentren für Seltene Erkrankungen in Deutschland zusammen, die es in Berlin, Bonn, Essen, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Lübeck, Magdeburg/Halle, Mannheim, Marburg, München, Münster, Tübingen, Ulm, und Wiesbaden gibt. Aufgrund der räumlichen Nähe gibt es besonders intensive Kontakte zu dem ebenfalls neu gegründeten Mitteldeutschen Kompetenznetz für Seltene Erkrankungen Magdeburg/Halle sowie dem Berliner Centrum für Seltene Erkrankungen an der Charité. Das USE-Team legt zudem großen Wert auf die Kooperation mit vielen Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen.
Neben der Krankenversorgung stehen auch Forschung und Lehre im Fokus der Arbeit des USE. Die Aufnahme aller Daten in ein entsprechendes Patientenregister dient neben der klinischen Beschreibung des Krankheitsbildes auch dazu, die Daten für Forschungsstudien zu erschließen. Des Weiteren kommen innovative Verfahren der Genomanalyse, wie das Next Generation Sequencing (NGS) bei der Identifizierung von Krankheitsgenen eine Schlüsselrolle zu und werden deshalb den teilnehmenden Kliniken des USE in besonderem Maße zugänglich gemacht. Der daraus resultierende wissenschaftliche Mehrwert besteht darin, durch die Kombination von detaillierter klinischer Erfassung und Grundlagenforschung das Verständnis der Mechanismen dieser Erkrankungen zu verbessern. Das ist die Basis dafür, neue therapeutische Strategien entwickeln zu können.
Was sind Seltene Erkrankungen?
Eine Krankheit gilt als selten, wenn weniger als 5 von 10.000 Personen davon betroffen sind. Ausgehend von etwa 8.000 Formen seltener Erkrankungen gibt es allein in Deutschland schätzungsweise vier Millionen Betroffene. In 80 Prozent der Fälle haben sie einen genetischen Ursprung. Einige Patienten leben oft schon seit ihrer Geburt mit einer seltenen Erkrankung und müssen lernen, ein Leben mit den Symptomen zu meistern. Bei anderen treten erste Anzeichen einer seltenen Erkrankung erst im Erwachsenenalter auf. Die Wege bis zur Diagnose sind dabei oft lang und beschwerlich. Hausärzte sehen sich ob der ungewissen Situation der Patienten verunsichert, überweisen an Kliniken. Diese veranlassen zeitraubende Diagnostiken, überweisen weiter. Etwa 40 Prozent der Patienten erhalten auf ihrem Weg mindestens eine Fehldiagnose. Dies führt nicht selten dazu, dass Patienten nicht adäquat oder sogar falsch behandelt werden.
Die Symptome einer Seltenen Erkrankung zu erkennen, die richtige Diagnose zu stellen und sie adäquat zu versorgen, stellt nicht nur Betroffene und ihre Familien, sondern alle Akteure des Gesundheitssystems vor besondere Herausforderungen. Dieser Erkenntnis wurde 2010 durch die Gründung des Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) Rechnung getragen. Initiiert durch die Bundesministerien für Gesundheit und für Bildung und Forschung sowie der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V. haben sich 28 Akteure aus allen Bereichen des Gesundheitswesens an einen Tisch gesetzt, um Maßnahmen zur Verbesserung dieser Situation zu erarbeiten. Im Fokus des NAMSE standen neben der Bündelung von Ressourcen ein gemeinsames, zielorientiertes Handeln, Maßnahmen zur Verbesserung der Aufmerksamkeit für Seltene Erkrankungen sowie die Bildung von Fachzentren. Die Arbeit des NAMSE mündete in der Verabschiedung des Nationalen Aktionsplans für Seltene Erkrankungen, der im August 2013 von der Bundesregierung vorgestellt wurde.