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Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Startschuss für neues Telemedizin-Modellprojekt in der Kinderheilkunde
Per Videokonferenz können Kinder und Jugendliche, die zwischen 18.00 Uhr abends und 8.00 Uhr morgens Hilfe in der Notaufnahme in Anklam suchen, einem Kinderarzt der Universitätsmedizin Greifswald vorgestellt werden. Das Modellprojekt mit einer Laufzeit von sechs Monaten wird im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin und dem Integrierten Funktionsbereich Telemedizin (IFT) des Instituts für Community Medicine der UMG durchgeführt und wissenschaftlich ausgewertet.
Die Universitätsmedizin Greifswald organisiert seit Jahren die kinderärztliche Versorgung im benachbarten AMEOS Klinikum Anklam. „Als Universitätsmedizin übernehmen wir Verantwortung für unsere Region“, betonte der Ärztliche Vorstand Dr. Thorsten Wygold. „Angesichts der demografischen Entwicklung müssen wir uns innovativen Lösungen öffnen, die auch künftig eine hochwertige Krankenversorgung in der Fläche sichern.“
Qualität und Akzeptanz - Was kann Telemedizin leisten?
Die Zusammenarbeit auf telemedizinischer Basis zwischen Anklam und Greifswald wird parallel zum normalen Stationsbetrieb und auf freiwilliger Basis erprobt. „Ein Kinderarzt aus der Universitätsmedizin ist immer vor Ort“, so Dr. Thorsten Wygold. „Die begleitende wissenschaftliche Studie soll Aufschluss bringen, ob eine telemedizinische Konsultation zur qualitativ hochwertigen Sicherstellung der regionalen pädiatrischen Versorgung geeignet ist. Es geht aber auch darum, die Akzeptanz der Eltern, Patienten und Mitarbeiter für eine ärztliche Beratung per Videokonferenz in Erfahrung zu bringen.“
„Wir begrüßen die Initiative der Universitätsmedizin Greifswald, neue Wege in der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum zu beschreiten“, sagte Michael Dieckmann, Vorstandsmitglied der AMEOS Gruppe. „Insbesondere vor dem Hintergrund des demographischen Wandel muss die ambulante und stationäre kinderärztliche Versorgung in und um Anklam herum dauerhaft gesichert werden. Hier kann mit dem Modellprojekt zur Anwendung von Telemedizin ein wichtiger Beitrag zur fachärztlichen Versorgung am Standort Anklam geleistet werden.“
Die diensthabenden Ärzte in Anklam können ihre Notfallpatienten in der Zeit von 18.00 bis 8.00 Uhr über ein bidirektionales Videokonferenzsystems mit einem Kinderarzt im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Greifswald besprechen. Der Greifswalder Mediziner beurteilt anhand eines standardisierten, symptomorientierten Triage-Verfahrens* die Dringlichkeit des Falls und entscheidet die weiteren Schritte. Abhängig von der Dringlichkeit kann die Behandlung am nächsten Tag bei einem niedergelassenen Pädiater oder in der Kinderabteilung im AMEOS Klinikum Anklam erfolgen.
Sollte sofortiger Handlungsbedarf ersichtlich sein, könnte der Patient je nach Lage mit privatem Pkw oder Taxi bzw. sofort mit einem Rettungswagen verlegt werden. Sozialministerin Hesse sieht in dem Projekt einen wichtigen Baustein bei der medizinischen Versorgung der Kinder in der Region. „Gerade in dünn besiedelten Regionen ist es notwendig, Fahrtwege und Behandlungszeiten für die kleinen Patienten und ihre Eltern zu verkürzen. Mit dem Einsatz der Telemedizin gelingt das, ohne Abstriche bei der Diagnose hinnehmen zu müssen“, so Hesse.
Für die telemedizinische Verbindung zwischen Anklam und Greifswald wurde ein Videokonferenzsystem mit hoher Bild- und Audioqualität sowie einer farbechten Wiedergabe der Videobilder eingerichtet. Die hochauflösende mobile Kamera mit optischer Zoomfunktion soll mit einer weiteren Ausstattung sowohl in Anklam als auch von Greifswald steuerbar sein. Die Möglichkeit, zusätzliche Daten und Bilder zur Diagnostik zu versenden, wird ebenso geschaffen. Bei Bedarf können weitere Experten aus anderen Abteilungen zugeschaltet werden.
Innerhalb der zunächst sechsmonatigen Testphase sollen verschiedene Abläufe auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden. Wie oft und zu welchen Fällen wird das telemedizinische Triage-System durchgeführt, welche Daten werden erfasst und welche Entscheidungen getroffen? Beeinflusst die Telemedizin-Situation die medizinische Entscheidung über Diagnostik und Therapie des jeweils vorgestellten Falls? Wo liegen die Schwachstellen und die Vorteile im Klinikalltag?
Für die weitere Entwicklung ist auch von Bedeutung, welche Erkrankungen hauptsächlich bei pädiatrischen Notfällen in der Nacht vorliegen und in welcher Form sich das Spektrum der Erkrankungen von der Tageszeit unterscheidet. Auf der Grundlage einer Studie des Instituts für Community Medicine für die Jahre 2005 bis 2010 zur pädiatrischen Krankenversorgung in der Region sollen die Anzahl der stationären Aufnahmen, die Aufnahmegründe und Entlassungsdiagnosen analysiert werden.
Das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Greifswald hat die medizinische Leitung des Projektes. Bei positiven Ergebnissen soll das System in Anklam weitergeführt und auch im Kreiskrankenhaus Wolgast eingeführt werden.
* Triage-Systeme dienen der schnellen und standardisierten Einstufung von Notfallpatienten. Wer muss zuerst behandelt werden, wo besteht womöglich Lebensgefahr, welcher Patient kann noch warten? In deutschen Kliniken wird vor allem mit dem Manchester-Triage-System gearbeitet. Hierbei handelt es sich um ein in England entwickeltes und international anerkanntes System zur Ersteinschätzung der medizinischen Behandlungsdringlichkeit.
Universitätsmedizin Greifswald
Ärztlicher Vorstand: Dr. Thorsten Wygold
Fleischmannstr. 8, 17475 Greifswald
Tel.: 03834 / 86-50 13
eMail: aerztliches.direktorat@uni-greifswald.de
http://www.medizin.uni-greifswald.de
http://www.facebook.com/UnimedizinGreifswald
AMEOS Klinikum Anklam
Krankenhausdirektor: Stefan Fiedler
Hospitalstraße 19, 17389 Anklam
Tel.: 039771 / 41 650
eMail: sekr.gf@ueckermuende.ameos.de
http://www.ameos.eu/klinikum-anklam.html