- Selbsthilfe [+]
Von Betroffenen für Betroffene
Heute: Selbsthilfe Stoma-Welt e.V.
Unser erster Kontakt mit dem Verein Stoma-Welt e.V. fand im August 2024 statt. Bei der Gestaltung unseres MutPro-Songs „Beutel am Bauch“ hatten wir einen sehr angenehmen Austausch, aus dem dann noch ein weiteres gemeinsames Video entstand. Beide findet Ihr am Ende des Beitrages. Grund genug für uns, den Verein einmal etwas ausführlicher vorzustellen. Dabei soll dies der Start einer neuer Artikel-Serie bei den Krebs-Nachrichten sein, mit der wir in loser Folge Euch verschiedene Selbsthilfegruppen und Ihre Arbeit vorstellen möchten.
Der gemeinnützige Verein Selbsthilfe Stoma-Welt e.V. ist im Jahr 2010 aus dem Internetportal Stoma-Welt.de und dem Stoma-Forum entstanden, einer bis dahin privaten Internet-Initiative von und für Stomaträger:innen. Die Aufgabe der Selbsthilfe Stoma-Welt e.V. ist nach eigener Aussage die „Förderung der Lebensqualität von Menschen mit einem künstlichen Darmausgang oder einer künstlichen Harnableitung durch Information und Aufklärung, Erfahrungsaustausch, Beratung, Hilfe zur Selbsthilfe und Interessenvertretung“.
Auf der Internetseite www.stoma-welt.de findet Ihr wertvolle Informationen, Tipps und Ratschläge zum Leben mit dem Beutel am Bauch. Der Verein informiert Betroffene, Angehörige und Interessierte aus erster Hand, denn die engagierten Mitglieder sind selbst Stomaträger:innen.
Darüber hinaus ist der Verein auch in den sozialen Medien sehr aktiv. In der Online-Community lernt man dabei voneinander und unterstützt sich gegenseitig. Mit mehreren tausend Mitgliedern ist die moderierte Facebook-Gruppe Stoma-Träger-Stoma-Welt www.facebook.com/groups/StomaWelt einer der aktivsten Treffpunkte für Betroffene, Angehörige und Pflegefachkräfte im World Wide Web. Im Stoma-Forum www.stoma-forum.de könnt Ihr mit anderen Betroffenen anonym und im geschützten Raum Informationen und Erfahrungen austauschen. Dazu ist die Stoma-Welt auch noch auf Instagram und YouTube zu finden.
Wer mehr erfahren will, einfach einmal Kontakt aufnehmen:
Beratungstelefon: +49800 200 320 105
(kostenfrei aus dem deutschen Fest- und Mobilfunknetz)
E-Mail: verein@stoma-welt.de
Um noch mehr zu erfahren, haben wir mit Sabine Massierer-Limpert, sie leitet die Geschäftsstelle, und Christian Limpert, er ist Vorsitzender des Vereins, auch noch ein kurzes Interview geführt.
Krebs-Nachrichten (KN): Wie kam es ursprünglich zum Internetportal Stoma-Welt.de und dem Stoma-Forum?
Christian: Da kamen drei Dinge zusammen. Ende der 1990er lebte ich schon einige Jahre mit dem Beutel am Bauch und war auch gerade beruflich in der IT-Branche gestartet. All das mit dem Internet war noch sehr jung, aber da ich beruflich intensiv damit zu tun hatte fing ich an online nach Informationen und Tipps zum Leben mit dem Stoma zu suchen. Aber ich fand nix, es gab keine Informationen für Betroffene in deutscher Sprache. Also warum nicht selber machen? So entstand im Jahr 2000 Stoma-Welt.de mit viel Informationen zum Leben mit dem Beutel am Bauch. Und im Jahr 2003 das Stoma-Forum , als größte Online-Community für deutschsprachige Stomaträger:innen.
KN: Wie und warum hat sich daraus dann der Verein entwickelt?
Sabine: Mit den Jahren hatte sich die Online-Community gefestigt und wir suchten nach Wegen, die Stoma-Welt langfristig zu sichern. Ein Stomaträger aus unserer Community, Herbert Müller, war ehrenamtlich stark engagiert. Von ihm kam der Vorschlag die Stoma-Welt als Selbsthilfeverein zu organisieren. Wofür wir uns direkt begeistern konnten, wir fühlten uns schon immer als Teil der Selbsthilfe.
2010 kam es zur Gründung des gemeinnützigen Vereins und Herbert wurde unser erster Vorstandsvorsitzender. Damit startete auch unsere Selbsthilfearbeit in der „realen“ Welt: die Gründung von Selbsthilfegruppen, Informations-Broschüren, Veranstaltungen und vielem mehr.
KN: Wie viele Betroffene suchen pro Jahr bei Euch Rat?
Christian: Online nutzen bis zu 30.000 Menschen jeden Monat unsere Informationsangebote. Das wissen wir aus den Statistiken unserer Internetseite und über alle Social-Media-Plattformen. Dazu kommen monatlich ca.130 Fragen, die in unserer Facebook-Gruppe Stoma-Träger-Stoma-Welt und im Stoma-Forum gestellt und in der Community diskutiert werden, begleitet von unseren Moderatoren.
Sabine: Unsere Geschäftsstelle erreichen im Schnitt 120 direkte Anfrage im Monat, über unser Beratungstelefon und per E-Mail. Und dann noch die Stoma-Treff Selbsthilfegruppen… übers Jahr kommt da ordentlich was zusammen, das Thema Leben mit Stoma beschäftigt mehr Menschen als man vielleicht im ersten Moment erwartet. In Deutschland leben ca. 150.000 Betroffene.
KN: Was sind aus Eurer Sicht die immer noch verbreitetsten Mythen oder Missverständnisse zum Thema Stoma?
Sabine: Mythen und Missverständnisse dürfte es heute eigentlich nicht mehr geben. Über das Internet, soziale Medien, Betroffenen, Organisationen, Kliniken und Hilfsmittel-Herstellern usw. kann man alle Information finden. Gerade jüngere Stomaträger:innen habe in den Sozialen Media keine Hemmungen aus ihrem Leben und ihrem Alltag zu berichten und sich dabei auch mit dem Beutel am Bauch zu zeigen. Wobei man erwähnen muss, dass im Alltag der Stomabeutel sicher nicht zu sehen ist, da er ja unter der Kleidung getragen wird.
Natürlich ist uns bewusst, dass es für manche immer noch ein Tabuthema ist, nicht unbedingt unter den Betroffenen. Wie heißt es so schön: Über den Tod und Sch… sorry Ausscheidungen spricht man nicht. Aber wir hoffen, dass wir durch unsere Arbeit auch da etwas bewegen können.
KN: Was würdet Ihr Betroffenen raten, die gerade ein Stoma erhalten sollen? Kann man sich darauf vorbereiten? Was gilt es zu planen? Was sollte man Ärzte vorab fragen? Kann man sich vorab auch bei Euch Unterstützung holen?
Christian: Ja, man kann und sollte sich vorbereiten. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Sabine. Durch den Einsatz von ihr und Celine gibt es seit kurzem eine ToDo-Liste auf Stoma-Welt.de , mit einem eigenen Kapitel zur Vorbereitung auf die Operation. Celine, sie war selbst Stomaträgerin, hat auch die Illustrationen dazu beigesteuert [1].
Sabine: Eure Ärzte solltet ihr immer mit allen Fragen löchern, die euch beschäftigen. Es ist wichtig, dass ihr davon überzeugt seid in den richtigen Händen zu sein. Mein Tipp: schreibt euch alle Fragen zu Hause auf, damit im Gespräch nichts vergessen geht. Und falls ihr dann doch noch unsicher seid, holt euch eine zweite Meinung ein. Und natürlich kann man uns auch kontaktieren, entweder über unsere Facebook-Gruppe, oder telefonisch, wenn die Betroffenen zweifeln oder eine extra Erklärung wollen. Wobei wir deutlich darauf hinweisen, dass wir den Betroffenen keine Entscheidungen abnehmen können und wollen (wir sind keine Ärzte) aber wir wollen die Betroffenen gerne unterstützen/begleiten bei der Entscheidungsfindung.
KN: Was ist in der ersten Zeit mit einem Stoma besonders wichtig? Worauf sollten Betroffene achten? Wo gibt es Hilfe?
Sabine: Der Austausch mit anderen Betroffenen. Man kann so viel von den Erfahrungen anderer profitieren und der Austausch ist heute so einfach, z.B. über die Community der Stoma-Welt.
Christian: Und wichtig ist so schnell wie möglich zu lernen, wie man selbst mit den Hilfsmitteln umgehen und sich eigenständig versorgen kann. Nicht von anderen abhängig zu sein öffnet die Tür zurück in ein selbstbestimmtes Leben, zurück in Beruf, Hobbies usw.
KN: Gibt es auch die Möglichkeit sich im wahren Leben zu treffen?
Christian: Ja klar, in den Selbsthilfegruppen, auf Veranstaltungen oder über unser Beratungstelefon.
Wie können Interessierte mitmachen oder sich bei Euch einbringen?
Sabine: Werdet Teil der Stoma-Welt Community, online oder in den Stoma-Treff Selbsthilfegruppen. Und das nicht nur als Stomaträger:in, auch Rückverlegte und Angehörige sind herzlich willkommen.
Als Stoma-Mutmacher:in könnt ihr andere Betroffene unterstützen, indem ihr eure Erfahrungen teilt, auch in Fotos und Videos.
Christian: Darüber hinaus könnt ihr die Arbeit unseres Selbsthilfevereins unterstützen, indem ihr Mitglied werdet oder uns mit einer Spende unterstützt. Und wer aktiv Zeit und Mitarbeit investieren möchten, meldet euch gerne. Wir haben immer laufende Projekte und freuen uns über Unterstützung.
KN: Was verbirgt sich hinter dem Vereinsziel Interessenvertretung?
Christian: Wir setzen uns aktiv für die Interessen der Stomaträger:innen ein, gegenüber Politik, Krankenkassen und Industrie. Dort wird meist viel über Betroffene, aber viel zu selten mit den Betroffenen gesprochen. Selbsthilfeorganisationen sind hier wichtige Ansprechpartner. So setzten wir uns z.B. dafür ein, dass auch weiterhin eine gute und zuverlässige Hilfsmittelversorgung gewährleistet ist. Denn in Zeiten knapper Kassen gehen die Bedürfnisse kleinerer Betroffenen-Gruppen schnell unter, wenn sie keine starke Stimme haben.
Darüber hinaus sind wir Selbsthilfe-Partner der zertifizierten Zentrums-Kliniken, z.B. der Darmkrebszentren.
KN: Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Sabine: Damit wir unsere Arbeit nicht nur weiterführen, sondern weiter ausbauen können wünschen wir uns vor allem eine zuverlässige und unabhängige Finanzierung.
Für die Betroffenen eine verlässliche Unterstützung durch die Homecare-Versorger und Stomatherapeuten, bei Bedarf auch am Wochenende.
Vielen Dank!
[1] Celine van der Hoofd unter https://www.cmvdhoofd.de/
Video: Beutel am Bauch (gemeinsame Version)
Die Stoma-Welt, die Krebs-Nachrichten und Mutpro möchten mit diesem Song allen Menschen mit einer Krebserkrankung und auch all jenen, die mit einem Stoma aufgrund einer anderen Krankheit leben müssen, Mut machen. Und, wir möchten zeigen, dass wir bei Euch sind, Euch helfen und unterstützen, wo immer wir können. An alle anderen möchten wir eine Bitte richten: Nehmt Euch die Zeit und geht zu den empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen. Denkt an Euch und Eure Gesundheit! Es lohnt sich!
Video: Beutel am Bauch (Original)
Kann man einen Song über Stoma machen? Soll man einen Song über Stoma machen? Warum nicht? Wir denken man kann und sollte es tun. In einem Erfahrungsbericht eines Darmkrebs-Patienten haben wir erstmals den Spruch "Lieber einen Beutel am Bauch, als einen Zettel am Zeh'" gelesen. Er bezog sich dabei auf einen Beitrag im Forum des Vereins Stoma-Welt e.V., einer wichtigen Anlaufstelle für Stoma-Träger. Dieser Sinn für Humor, trotz aller Schwierigkeiten, hat uns zu diesem Song inspiriert.