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Nationale Akademie der Wissenschaften
Akademien fordern bessere Palliativversorgung in Deutschland
Um die Hilfe für Betroffene auf medizinischer, sozialer, psychischer und spiritueller Ebene gleichermaßen zu stärken, muss die interdisziplinäre Forschung zur Palliativversorgung nachhaltig entwickelt werden. Bei der Gestaltung der Forschungsagenda sollten Patienten und ihre Angehörigen eingebunden werden.
Die Stellungnahme „Palliativversorgung in Deutschland: Perspektiven für Praxis und Forschung“ wurde heute in Berlin vorgestellt. Palliativversorgung hat zum Ziel, die bestmögliche Lebensqualität von Patienten und ihren Angehörigen angesichts lebensverkürzender, nicht heilbarer Erkrankungen soweit als möglich herzustellen oder aufrecht zu erhalten. Prävention und Linderung von Leid stehen im Mittelpunkt. Palliativversorgung benötigen viele Patienten, die an sogenannten Volkskrankheiten leiden, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Auch Menschen mit neurologischen Erkrankungen, zum Beispiel Parkinson, Demenz und Multiple Sklerose, mit Lungenerkrankungen oder altersgebrechliche, multimorbide Patienten brauchen diese spezialisierte Hilfe. Im Zuge des demografischen Wandels wird der Anteil der Palliativpatienten an der Gesamtpatientenzahl steigen.
„Derzeit bestehen Unsicherheiten bezüglich der Effizienz der Palliativversorgung, da die Versorgungsforschung im Aufbau ist und in der Palliativmedizin erheblicher Forschungsbedarf besteht. Zudem gibt es innerhalb von Deutschland Unterschiede beim Zugang zur Palliativversorgung“, sagt Professor Hans-Peter Zenner, Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universität Tübingen. Professor Zenner war gemeinsam mit Professor Lukas Radbruch, Direktor der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin der Universität Bonn und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Sprecher der Arbeitsgruppe Palliativmedizin. Leopoldina und Akademienunion empfehlen in ihrer Stellungnahme eine Forschungsagenda mit dem Ziel, eine flächendeckende und evidenzbasierte Palliativversorgung in Deutschland zu erreichen. Notwendig sind einheitliche Regelungen zur Finanzierung der Palliativversorgung und eine bundesweit einheitliche Qualitätssicherung.
Unter anderem soll die interdisziplinäre Palliativversorgungsforschung, die neben medizinischen und pflegewissenschaftlichen Fragen auch Perspektiven der Geistes- und Sozialwissenschaften berücksichtigt, gefördert werden. Die Akademien fordern zudem Interventionsstudien in der Palliativmedizin, um Leitlinien zur Palliativversorgung für alle Patientengruppen weiterzuentwickeln und Studien zum Einsatz von Medizintechnik, die die Selbstständigkeit von Patienten fördert.
Andere Länder sind auf dem Gebiet der Palliativversorgung bereits weiter als Deutschland. In einem Vergleich der Versorgungsqualität am Lebensende in 40 Ländern weltweit stand Deutschland im Jahr 2010 hinter Ländern wie Großbritannien, Österreich, Irland, Schweden und den Niederlanden auf Platz acht.
In der öffentlichen Diskussion hat das Thema Sterben und Tod in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Die Akademien wollen mit ihrer Stellungnahme den Blick der Öffentlichkeit für die Palliativversorgung schärfen. An der Stellungnahme waren 25 Experten beteiligt, darunter Mediziner verschiedener Fachrichtungen, Pflegewissenschaftler, Ethiker, Theologen, Soziologen, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler.
„Palliativversorgung in Deutschland: Perspektiven für Praxis und Forschung“. Stellungnahme der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, 80 S., ISBN: 978-3-8047-3282-7
Die Leopoldina nimmt als Nationale Akademie der Wissenschaften Deutschlands mit ihren rund 1500 Mitgliedern zu den wissenschaftlichen Grundlagen politischer und gesellschaftlicher Fragen unabhängig und öffentlich Stellung. Sie vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien und handelt zum Wohle der Menschen und der Gestaltung ihrer Zukunft.
Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist die Dachorganisation von acht deutschen Wissenschaftsakademien. Insgesamt sind in den Mitgliedsakademien mehr als 1.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen vereint, die zu den national und international herausragenden Vertreterinnen und Vertreter ihrer Disziplinen gehören. Gemeinsam engagieren sie sich für wissenschaftlichen Austausch, exzellente Forschung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Weitere Informationen:
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