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Deutsche Gesellschaft für Chirurgie
Chirurgen fordern faire Beurteilung ihrer Forschung
Der bibliometrische Indikator sei jahrelang als völlig untaugliches Evaluationsinstrument insbesondere auch in der Chirurgie eingesetzt worden, so die DGCH, und dürfe nicht länger als Messlatte für Wissenschaftler dienen. Stattdessen fordert die DGCH einen fairen Vergleich unter Forschern, der aber andere Ansätze erfordert. Die Fachgesellschaft sieht darin die Chance für einen Wandel am Wissenschaftsstandort Deutschland. Die Karriere von Wissenschaftlern hing bislang stark davon ab, ob renommierte Fachzeitschriften ihre Forschungsergebnisse publizieren. Rang und Einfluss der Zeitschriften drücken sich im sogenannten „Journal Impact Factor“ aus – ursprünglich als Orientierungshilfe für Bibliothekare entwickelt. Den Punktwert aktualisiert regelmäßig der Medienkonzern Thomson Reuters. „Es ist nicht länger vertretbar, dass auf Basis eines solchen Index etwa eine Milliarde Euro Steuergelder für leistungsorientierte Mittel an Kliniken fließen“, sagt Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Generalsekretär der DGCH. Insgesamt schütten die Länder jährlich mehr als drei Milliarden Euro an medizinische Fakultäten aus. Deutschland könne es sich nicht leisten, seine Wissenschaftler jahrelang anhand ungeeigneter Kriterien zu bewerten, meint DGCH Präsident Professor Dr. med. Peter Vogt, Direktor der Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Auch wenn es darum geht, medizinische Lehrstühle oder Chefarztstellen zu besetzen, wenn die Länder Gelder für Sonderforschungsbereiche verteilen oder wenn akademische Zentren finanziert werden – überall dort galt der Impaktfaktor zuletzt immer mehr als Qualitätsgarant. Das ändert sich jetzt. Anstoß dazu gibt ein Positionspapier der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) als Vertretung von 160 Organisationen: Die AWMF kritisiert die Dominanz des Impaktfaktors bei der Evaluation medizinischer Forschungsleistungen. Das Papier benennt stattdessen alternative Kriterien: Unabhängige Gutachten, normierte Zitationsraten, die Höhe eingeworbener Forschungsgelder, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und auch der Nutzen von Forschung.
Die DGCH sieht darin eine Chance: „Auf diese Weise gelangen wir zu einer objektiveren Grundlage für Entscheidungen, die in Fakultätsräten, interdisziplinären Konferenzen oder etwa Habilitationsverfahren gefällt werden“, betont Professor Dr. med. Christian Friedrich Vahl, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universitätsmedizin Mainz. Vahl, der in der DGCH der Projektgruppe Wissenschaft angehört, beschreibt dies in einem Statement als „radikale Revolution auf dem Wissenschaftsmarkt“. Zumal Mahnern der Impaktpunktwelt immer wieder vorgeworfen werde, ihre Kritik sei dem eigenen Scheitern geschuldet und nicht dem System. Derweil wächst die Zahl der Professorenstellen in Fächern, die beim Impaktfaktor gut abschneiden. Hier herrsche eine deutliche Schieflage, meint Vahl: „Deutschland kann im internationalen Wettbewerb nur bestehen, wenn Forscher bereit sind, sich auf faire Weise evaluieren zu lassen und Konsequenzen aus den Ergebnissen zu entwickeln.“
Der Kommentar zum Positionspapier von Vahl, Christian Friedrich: Eine radikale Revolution auf dem Wissenschaftsmarkt, erscheint in Kürze in den Mitteilungen der DGCH.
Positionspapier: Evaluation of medical research performance – position paper of the Association of the Scientific Medical Societies in Germany (AWMF). GMS German Medical Science 2014, Vol. 12, Doc 11, ISSN 1612-3174
http://www.egms.de/static/de/journals/gms/2014-12/000196.shtml