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SWR-Nachtcafé
Diagnose Krebs - zwischen Hoffen und Bangen
Und sofort drehen sich unzählige Fragen im Kopf in Endlosschleife: Weshalb ausgerechnet ich? Bin ich selbst schuld? Habe ich nicht gesund genug gelebt? War meine Lebenseinstellung zu negativ und Krebs vielleicht die Antwort auf meine Unzufriedenheit? Brustkrebs rangiert einsam an der Spitze der Tumorerkrankungen bei Frauen, bei Männern ist es das Prostatakarzinom. Viele halten noch immer eine Krebsdiagnose für ein bereits gefälltes Todesurteil. Doch Überleben ist längst keine Glückssache mehr.
In den vergangenen 30 Jahren hat die Forschung immense Fortschritte gemacht: Ein baden-württembergisches Unternehmen will 2016 erste Bluttests auf den Markt bringen, die Krebs frühzeitig entschlüsseln und nachweisen sollen - lange, bevor der Patient Symptome spürt, ohne vorherige Entnahme einer Gewebeprobe - so die Hoffnung. Es sind aber nicht allein die scharfen Geschütze der Medizin, die dem Krebs Paroli bieten. Viele Patienten nehmen die Krankheit zum Anstoß und krempeln ihr Leben komplett um, sie hinterfragen Beziehungen, finden zum Glauben, leben längst begrabene Träume. Wie geht man am besten mit der Prognose um? Welche Rolle spielt das Umfeld des Krebspatienten? Welche neuen Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Michael Steinbrecher fragt nach.
Vor einem Jahr bekam Schauspieler Thorsten Nindel eine Botschaft, die ihn völlig aus der Bahn warf: Lungenkrebs! Sein erster Gedanke nach dieser niederschmetternden Diagnose war: "Kann ich noch meiner Verantwortung für meine Tochter gerecht werden, ist sie finanziell so abgesichert, dass sie es auch ohne mich schafft?" Wichtige Stütze während seiner Chemotherapie war auch seine Lebensgefährtin, die Schauspielerin Saskia Valencia. Nindel hat die Behandlung gut überstanden, doch die Angst vor einem Rückfall bleibt.
Wie ohnmächtig sich viele Angehörige von Krebspatienten fühlen, musste auch Bestseller-Autorin Charlotte Link erfahren. Mit 41 Jahren erkrankte ihre geliebte Schwester Franzsika zum zweiten Mal an Krebs. Doch das Vertrauen in Mediziner schwand, als die Familie mit drei Fehldiagnosen und sehr unsensiblen Arztgesprächen konfrontiert wurde. "Es gibt einige Ärzte, die keinerlei Rücksicht auf den psychischen Ausnahmezustand von Krebspatienten nehmen", ist die bittere Erkenntnis der Erfolgsautorin. Vor drei Jahren verlor ihre Schwester schließlich den Kampf gegen den Krebs.
Für den Onkologen Prof. Gerhard Ehninger ist die Art und Weise, wie Ärzte die Krebsdiagnose vermitteln, entscheidend dafür, wie der Patient mit der Krankheit umgehen kann: "Ungeachtet der Therapiemöglichkeiten muss ich für den Patienten da sein und ihn ernstnehmen". Damit noch mehr Menschen Hoffnung auf Heilung haben können, hat der Krebsmediziner Anfang der 90er Jahre die Deutsche Knochenmarkspenderdatei mit begründet. Und dennoch glaubt er nicht daran, dass die Krankheit Krebs jemals völlig auszurotten ist. Krebstherapien sind nicht nur lebensrettend, sondern auch teuer. Und gerade deswegen auch ein lukratives Geschäft für Pharmakonzerne, Ärzte und Apotheken. Der Medizinjournalist Markus Grill befasst sich seit Jahren mit den schwarzen Schafen dieser Branche und spricht ganz offen von einer sogenannten Krebs-Mafia: "Mit einer einzigen Chemotherapie-Infusion kann ein Apotheker bis zu 600 Euro verdienen. Solche Gewinnspannen laden geradezu ein zu Korruption und illegalen Verstrickungen", so der Investigativ-Journalist, der hier Handlungsbedarf seitens der Politik einfordert.
Mit 25 Jahren hörte Marion Glashauser zum ersten Mal den Satz: "Sie haben Brustkrebs". Die Mutter einer damals acht Monate alten Tochter ist jedoch optimistisch, dass sie die Krankheit besiegen wird. Nach einer Chemo- und Strahlentherapie schlägt aber acht Jahre später das Schicksal wieder zu: "Ich habe zu meiner großen Tochter gesagt: Die Mama stirbt nicht, ich werde leben und kämpfen." Aktuell lebt die 37-jährige zweifache Mutter mit einer Schmerzpumpe, wird künstlich ernährt und genießt jede Minute, die sie mit ihrer Familie verbringen kann.
Vanessa Werner war gerade mal elf Jahre alt, als ihre bis dahin unbeschwerte Kindheit abrupt ein Ende fand: Ihre Mutter hatte Krebs: "Ich habe immer an ein Wunder geglaubt und gehofft, sie wird doch noch in letzter Sekunde geheilt." Fünf Jahre lang war das junge Mädchen ständig einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt, das zwischen Wut, Hoffnung und Verzweiflung schwankte. Vanessa war 16 Jahre alt, als ihre Mutter den Kampf gegen ihre Krankheit verlor. Nach einer Routineuntersuchung hörte Andrea Sixt den Horrorsatz: "Sie haben noch ein Jahr zu leben!" Nach dem ersten Schock hörte sie auf den Rat der Schulmedizin und legte sich unters Messer, dann aber entschied sich die Diplom-Ingenieurin gegen eine Chemo- und für eine Misteltherapie. Und änderte ihr Leben von Grund auf. "Ich habe mich von allem getrennt, was mir nicht gut tat: falschen Freunden, meinem damaligen Partner und meiner Arbeit." Das ist nun zwanzig Jahre her, heute erfreut sich die Drehbuchautorin bester Gesundheit.
Freitag, 24. April 2015
22.00 Nachtcafé im SWR