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Gesundheitstechnologien: 15 Jahre für die Zulassung sind zu lang
Innovative Gesundheitstechnologien steigern die Lebensqualität und entlasten das Gesundheitssystem. Mit Hilfe der Telemedizin etwa können Patienten und Ärzte weltweit spezialisierte Fachleute konsultieren. Die Qualität der Versorgung und auch die Unabhängigkeit der Patienten steigen. Computergestützte Operationen werden präziser und weniger invasiv. Der papierlose Datenaustausch erleichtert Ärzten den Zugang zu wichtigen Informationen wie Allergien oder früheren Behandlungen.
Es gibt viele gute Ideen aus der Medizintechnik. Doch zu oft scheitern sie an den besonders langen Zulassungswegen in Deutschland. Die Projektgruppe der Akademie um Olaf Dössel vom Karlsruher Institut für Technologie konstatiert, dass sich die Rahmenbedingungen seit der ersten Stellungnahme von acatech 2007 verbessert haben. So arbeiten die zuständigen Ministerien enger zusammen: Mit der Einrichtung von Medizintechnikreferaten kamen die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie für Wirtschaft und Energie (BMWi) einer zentralen Empfehlung der Akademie nach und stießen 2011 zusammen mit dem Bundesministerium für Gesundheit einen Nationalen Strategieprozess „Innovationen in der Medizintechnik“ an. Das BMWi hat die Exportinitiative „Health – Made in Germany“ gestartet, die deutsche Unternehmen mit Kunden und Partnern im Ausland zusammenbringt. Die von acatech vorgeschlagene befristete Erprobung innovativer Medizintechnologien an ausgewählten Zentren wurde größtenteils im Sozialgesetzbuch festgeschrieben.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen schützen die Patienten vor ungeeigneten oder sogar gefährlichen Produkten. Doch ist kaum ein Markt so reguliert wie der deutsche, an dem Zulassungszeiten von bis zu 15 Jahren keine Ausnahme sind. Die Expertinnen und Experten der acatech Projektgruppe sehen darin nach wie vor die größte Hürde. „Gute Medizintechnik sollte nicht scheitern, weil die Zulassungsphase zu lang dauert oder die Forschung nicht finanzierbar ist“, sagte Projektleiter Olaf Dössel. „Die Rahmenbedingungen für Forschung müssen verbessert werden. Ärzte an Universitätsklinken sollten dafür vermehrt auf Zeit freigestellt werden können. Als Anreiz müssen auch Patente und Innovationen bei der leistungsorientierten Mittelvergabe berücksichtigt werden. Die Prüfung für die Zulassung und Erstattung sollte durchaus weiterhin kritisch und streng sein, aber sie muss schneller gehen und transparent und planbar sein.“
Die Projektgruppe konstatiert Fortschritte, bekräftigt aber einige der schon bereits 2007 ausgesprochenen Empfehlungen und formuliert weitere, die zu einem günstigeren Innovationsklima in der Medizintechnik führen:
- Eine verbesserte Transparenz und an Medizinprodukte angepasste Kriterien bei der Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG),
- eine verbesserte Harmonisierung bei der Konformitätsprüfung von Medizinprodukten durch Benannte Stellen in Europa,
- das Auflegen eines Innovationsfonds zur angemessenen und fairen Beteiligung aller von einer Innovation profitierenden Unternehmen nach § 137e SGB V,
- die Einrichtung einer „Querschnittsaktivität Gesundheitstechnologien“ begleitend zu den „Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung (DZG)“,
- eine Aufstockung des Budgets, welches die Ministerien (BMBF, BMG, BMWi) insgesamt für Medizintechnik allozieren, insbesondere eine substanzielle Aufstockung des Budgets der DFG für die Finanzierung der medizintechnischen und medizinphysikalischen Forschung an den Universitäten,
- eine verstärkte Förderung von (An-)Instituten für Medizintechnik an den medizinischen Fakultäten und Universitätskliniken,
- eine verstärkte Freistellung auf Zeit von forschenden Ärzten an Universitätskliniken sowie
- die Berücksichtigung von Patenten und Innovationen bei der leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM) an Universitäten und insbesondere an Universitätskliniken.
Die Grundlage der neuen Empfehlungen sind neben der 2007 erschienenen acatech POSITION auch die Ergebnisse eines Workshops im April 2013 mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Der Minister diskutierte mit den Teilnehmern aus Wissenschaft, Gesundheitswesen und Industrie Verbesserungsmöglichkeiten im medizintechnischen Innovationsprozess.
Weitere Informationen:
www.acatech.de