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Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.
"Unser Gesundheitssystem ist ein Nocebo für Schmerzpatienten"
"Die geringe Zuwendung, die diese Patienten erhalten, sowie die Vielzahl vergeblicher Behandlungsversuche wirken als Nocebo und spielen bei der Chronifizierung von Schmerzen eine große Rolle", erklärte Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie bei den Südwestdeutschen Schmerztagen am 19. Oktober in Göppingen.
Eine positive Erwartung kann heilen und aus einem Wirkstoff-freien Scheinmedikament (Placebo) eine heilsame Arznei machen. Eine negative Erwartung kann dazu führen, dass ein wirksames Schmerzmittel nicht besser hilft als eine Zuckerpille (Nocebo-Effekt). "Erfahrungen, Erwartungen und Lernprozesse von Patienten beeinflussen jedes Therapie-Ergebnis", resümmierte Professor Ulrike Bingel von der Universitätsklinik Essen ihre Forschungsergebnisse bei den Südwestdeutschen Schmerztagen am vergangenen Wochenende.
"Placebo- und Nocebo-Effekte haben", so die Neurologin und Schmerzforscherin weiter, "ganz eindeutig ein neurobiologisches Korrelat." Eine positive Erwartungshaltung aktiviert beispielsweise die körpereigene Schmerzhemmung und negative Erfahrungen und Erwartungen können Schmerzen verstärken und so die Wirksamkeit einer Behandlung schwächen. Darum sei eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient und schnelle Strategiewechsel nach vergeblichen Therapieversuchen wichtig, um Nocebo-Effekte zu vermeiden, betonte Professor Bingel.
"Schmerzpatienten machen in unserem Gesundheitssystem jedoch andere Erfahrungen", kritisiert Dr. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie. "Eine systembedingte sprachlose Drei-Minuten-Medizin und Monotherapien wirken bei Schmerzpatienten als Nocebo und gehören sicherlich zu den Hauptgründen fortschreitender Chronifizierungsprozesse."
Eine hochkomplexe Erkrankung wie die Schmerzkrankheit bedarf einer komplexen Diagnostik und Therapie. Das belegt inzwischen eine Fülle von Forschungsergebnissen. So genannte multimodale Therapien, bei denen verschiedene medizinische und psychologische Strategien mit Bewegungstherapien kombiniert werden, sind Monotherapien überlegen, wie die Experten in Göppingen betonten.
Doch Spezialisten und Zentren, die solche Therapien anbieten, sind in Deutschland noch immer Mangelware: "Weder diese Spezialisten noch solche Zentren sind im System vorgesehen", kritisiert Müller-Schwefe. "Damit sich die Versorgung der Patienten an deren Bedarf und nicht an falschen gesundheits- und standespolitischen Rahmenbedingungen orientiert, brauchen wir den Facharzt für Schmerzmedizin."