- Forschung [+]
EPIC-Studie
Neue Langzeitstudien-Daten zu Alkoholkonsum und Sterblichkeitsrisiko
Dies gilt allerdings nur für die Teilnehmer, die zu Beginn der Studie keine Vorerkrankungen aufwiesen. Das Forscherteam unter Führung von Manuela Bergmann und Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung publizierte seine Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift International Journal of Epidemiology (Bergmann et al., 2013; DOI: 10.1093/ije/dyt154).
Viele Studien zeigen, dass der Konsum von Alkohol mit einem höheren Risiko verbunden ist, an bestimmten Krankheiten zu sterben. Hierzu zählen einige Krebsarten, Erkrankungen, die im Zusammenhang mit einer Alkoholabhängigkeit auftreten oder Krankheiten des Verdauungstraktes. Hinzu kommen Todesfälle durch Unfälle oder Gewalteinwirkungen. Die Untersuchungen lassen aber auch annehmen, dass Menschen, die öfter Alkohol trinken, seltener an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung versterben. Allerdings haben nur wenige dieser Studien die Langzeittrinkgewohnheiten der Studienteilnehmer berücksichtigt.
Um zur Klärung der Datenlage beizutragen, haben die an der neuen Untersuchung beteiligten Wissenschaftler Informationen zum Trinkverhalten von Studienteilnehmern im Alter von 20, 30, 40 und 50 Jahren in die Auswertung einbezogen.
Nach den Studiendaten hatten Teilnehmer, die seit ihrem 20. Lebensjahr durchschnittlich nicht mehr als die maximal empfohlene Menge Alkohol pro Tag*** konsumierten, ein um ca. 9-14 Prozent vermindertes Sterberisiko. Dieses machte sich besonders bei den Herz-Kreislauf-Todesursachen bemerkbar und galt nur für Teilnehmer, die bei Studieneintritt nicht an Bluthochdruck, Diabetes oder Krebs erkrankt waren und zuvor nie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hatten. Wie die Studie zudem erstmalig zeigt, hatten ehemalige Vieltrinker, die zu Beginn der Studie nur noch ein bzw. zwei Gläser Alkohol pro Tag konsumierten, dennoch ein deutlich erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu Personen, die lebenslang nicht über diese Trinkmenge kamen. So erhöhte sich z. B. ihr Risiko, an bestimmten alkoholbedingten Todesursachen zu sterben, um das 7-fache. Ihr Risiko, an einer koronaren Herzerkrankung, Krebs oder einer anderen Erkrankung zu sterben, war 1,2- bis 1,8-fach erhöht.
„Auch wir konnten in unserer Studie beobachten, dass Menschen, die lebenslang nur moderate Mengen Alkohol zu sich nehmen, generell ein vermindertes Sterberisiko haben, was besonders deutlich bei den Herz-Kreislauf-Todesursachen zu sehen ist. Da wir diesen günstigen Zusammenhang aber nur bei Menschen beobachteten, die zu Beginn der Studie gesund waren und auch in ihrer Vergangenheit nie zu den Vieltrinkern zählten, gehen wir eher von keinem kausalen Zusammenhang aus“, sagt Manuela Bergmann. „Vielmehr bestärken unsere Ergebnisse die Vermutung, dass gesunde Menschen Alkohol in moderaten Mengen ohne größere nachteilige Folgen für ihre Gesundheit verkraften, der Alkohol aber nicht die Ursache für ihre Gesundheit ist“, ergänzt Heiner Boeing.
Link zur Studie: http://ije.oxfordjournals.org/content/42/6/1772.full.pdf
Hintergrundinformationen:
*EPIC: European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Die EPIC-Studie ist eine prospektive Studie, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. An der EPIC-Studie sind 23 administrative Zentren in zehn europäischen Ländern mit insgesamt 519.000 Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. Die Potsdamer EPIC-Studie ist mit mehr als 27.000 Teilnehmern ein Teil der EPIC-Studie.
**Wenigtrinker: Männer bzw. Frauen, die weniger als 2 g bzw. 1 g Alkohol pro Tag konsumieren (das entspricht im Durchschnitt weniger als ein Glas eines alkoholischen Getränks für Männer und weniger als ein halbes Glas für Frauen pro Woche).
Vieltrinker: Männer bzw. Frauen, die mehr als 60 g bzw. 30 g Alkohol pro Tag konsumieren (das entspricht im Durchschnitt fünf bzw. zweieinhalb Gläser eines alkoholischen Getränks pro Tag). Die Wissenschaftler sind davon ausgegangen, dass im europäischen Durchschnitt ein Glas eines alkoholischen Getränks 12 g Alkohol enthält.
***Die American Heart Association, der World Cancer Research Fund sowie das National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism hält zurzeit für gesunde Frauen bzw. gesunde Männer den Konsum von nicht mehr als 12 bzw. 24 g Alkohol pro Tag für akzeptabel. Diese Angabe zu Obergrenzen sollte nicht als Empfehlung verstanden werden, jeden Tag Alkohol zu trinken.
Die Wissenschaftler werteten die Daten von 111.953 europäischen Männern und 268.442 Frauen aus den acht EPIC-Ländern aus, die Informationen zu lebenslangem Alkoholkonsum gesammelt hatten.
Von den 111.953 Männern hatten 98 Prozent während ihres Lebens zumindest über einige Zeit Alkohol konsumiert, wobei 96 Prozent zum Zeitpunkt des Studieneintritts Alkoholkonsumenten waren. 3 Prozent der Männer zählten zu den Wenigtrinkern, 39 Prozent konsumierten dauerhaft weniger als 24 g Alkohol pro Tag, 38 Prozent konsumierten lebenslang zwischen 2 und 60 g Alkohol pro Tag, ca. 20 Prozent waren Vieltrinker oder hatten zumindest während einer Lebensphase mehr als 60 g Alkohol pro Tag konsumiert. Männer, die lebenslang nur wenig oder nur in einem moderatem Maße Alkohol konsumierten, hatten eher einen höheren Bildungsstand als Vieltrinker oder ehemalige Vieltrinker. Vieltrinker waren häufig jünger, rauchten, aßen mehr Fleisch und hatten häufiger Übergewicht.
Zu Studienbeginn waren ca.15 Prozent der Frauen Abstinenzlerinnen, wobei von diesen 68 Prozent noch nie in ihrem Leben Alkohol getrunken hatten. Von den 227.705 Alkoholkonsumentinnen zählten 15 Prozent zu den Wenigtrinkern, 44 Prozent konsumierten dauerhaft weniger als 12 g Alkohol pro Tag, 29 Prozent konsumierten 1 bis 30 g Alkohol pro Tag, ca. 12 Prozent gehörten zu den Vieltrinkern oder hatten zumindest während einer Lebensphase mehr als 30 g Alkohol pro Tag konsumiert. Im Gegensatz zu den männlichen Vieltrinkern hatten Frauen, die übermäßig viel tranken, eher einen höheren Bildungsstand. Ähnlich wie die männlichen Vieltrinker waren sie in der Regel jünger und rauchten mehr, zudem aßen sie weniger Obst und Gemüse und hatten seltener Kinder geboren.
Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Näheres unter http://www.dife.de Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten DZD. Mehr unter http://www.dzd-ev.de
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de