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Schilddrüsenkrebs
Neuer Kehlkopfschrittmacher lindert Atemnot bei gelähmten Stimmbändern
Für die Implantation des Systems hat der Würzburger HNO-Experte Prof. Rudolf Hagen als Weltneuheit ein Verfahren entwickelt, bei dem die Schrittmacherelektrode durch ein Endoskop in den Kehlkopf eingeführt werden kann.
Atmen, Schlucken, Sprechen – die zwei im Kehlkopf untergebrachten Stimmbänder sind an essentiellen Körperfunktionen beteiligt. Werden die sie versorgenden Nerven – die so genannten Rekurrenznerven geschädigt, kann es zu einer Lähmung der Stimmbänder kommen. Hervorgerufen werden solche Nervenschäden zum Beispiel durch Virusinfektionen, Hals- und Brustraumverletzungen oder durch Tumore. Aber auch bei Eingriffen an der Schilddrüse, die weltweit jährlich zu Tausenden durchgeführt werden, kann es zu einer Schädigung des Stimmbandnerven kommen, da der Nerv in unmittelbarer Nachbarschaft zur Drüse verläuft. Sind beide Stimmbänder gelähmt, können die Betroffenen durch die dann fast geschlossene Stimmritze meist nur noch schwer atmen.
Teil eines großangelegten Kooperationsprojekts
Hilfe verspricht ein neu entwickelter Kehlkopfschrittmacher. Das System ist in einer Kooperation zwischen den Unikliniken Würzburg, Innsbruck/Österreich, dem SRH Wald-Klinikum Gera sowie dem Medizintechnik-Unternehmen MED-EL - Medical Electronics entstanden. Im Rahmen einer Pilotstudie wurden bisher bei insgesamt neun Patienten Kehlkopfschrittmacher eingepflanzt. Nach ersten erfolgreichen Implantationen in Gera und Innsbruck gelang nun im Oktober auch in Würzburg die Versorgung einer Patientin mit Stimmbandlähmung mit dem System. Für die Platzierung der Schrittmacherelektrode favorisiert Prof. Rudolf Hagen, der Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen des Würzburger Uniklinikums, eine von ihm entwickelte endoskopische Technik.
Atemnot nach Schilddrüsenkrebs-OP
Die im Jahr 1968 geborene Frau musste im Jahr 2009 wegen eines bösartigen Tumors an der Schilddrüse operiert werden. „Bei dieser Diagnose ist eine Schädigung des Stimmbandnervs wegen der erforderlichen Radikalität zur Entfernung des Tumor oft nicht zu vermeiden“, beschreibt Prof. Hagen. Wegen der beidseitig gelähmten Stimmbänder bekam die Patientin so wenig Luft, dass Prof. Hagen auf ihren Wunsch hin bereits im Jahr 2010 einen Teil eines ihrer Stimmbänder chirurgisch entfernte. „Ein in solchen Fällen bis dato durchaus übliches Vorgehen, bei dem die Betroffenen die danach bessere Luftversorgung und höhere Leistungsfähigkeit allerdings mit einer heißer klingenden Stimme ‚bezahlen‘ müssen“, berichtet Prof. Hagen.
Die Operation brachte der Patientin zwar eine spürbare Erleichterung beim Atmen, aber bei größeren Belastungen, wie zum Beispiel beim Treppensteigen, blieb ihr nach wie vor „die Luft weg“. Deshalb war sie nur zu gern bereit, im Rahmen der Pilotstudie als eine der ersten Patientinnen und Patienten überhaupt die Chance auf einen Kehlkopfschrittmacher nutzen zu können.
Schalt- und Energiezentrale am Brustbein
Der Kehlkopfschrittmacher besteht aus einem Implantat, das direkt unter der Haut am Brustbein eingesetzt wird und einer Elektrode, die vom Implantat im Körper bis zum Kehlkopf führt. Dort wird sie millimetergenau an den feinen Nervenast platziert, der den Öffnermuskel versorgt. Ein programmierbarer medaillonartiger Prozessor zur Steuerung des Systems haftet per Magnet am Implantat, also über der geschlossenen Haut auf Höhe des Brustbeins.
Impuls – Kontraktion frei atmen
Der Prozessor gibt ein individuell einstellbares, regelmäßiges Steuersignal an das Implantat. Das Implantat sendet in diesem Takt einen Impuls über die Elektrode zum Öffnermuskel. Der Impuls führt zu einer kurzen Kontraktion des Muskels, der damit das Stimmband bewegt und den Atemweg frei macht.
Das Sprechen wird durch die getaktete Stimmbandbewegung nicht behindert, denn zum Sprechen kann der Patient den elektronisch ausgelösten Impuls mit Muskelkraft willentlich und mühelos überdecken.
Endoskopische Platzierung möglich
Bei der von Prof. Hagen entwickelten Operationsmethode wird das Ende der Elektrode mit einer Sonde über den Mund- und Rachenraum kommend endoskopisch am Öffnermuskel fixiert. Wie auch bei den Operationsmethoden der anderen Kliniken erfolgt das „Verlegen der Leitung“ zum Implantat am Brustbein minimalinvasiv. „Durch die begrenzten Inzisionen an Hals und Brustbein ist der Eingriff wenig belastend und bietet die Chance auf eine schnelle, komplikationslose Heilung“, schildert Prof. Hagen.
Die Würzburger Studienpatientin hat die notwendigen Eingriffe, bei denen auch Prof. Dr. Andreas Müller aus Gera beteiligt war, jedenfalls sehr gut überstanden, der Schrittmacher arbeitet einwandfrei, alle bisherigen Nachkontrollen waren positiv. Sie empfindet die Verbesserung der Atmung - so Prof. Hagen – als deutliche Steigerung ihrer Lebensqualität.
Baldige Reife für den Markt erwartet
Wie geht es jetzt weiter? „Nachdem die Machbarkeitsstudie mit der erforderlichen Zahl an erfolgreich implantierten Patienten in absehbarer Zeit abgeschlossen sein wird, gehe ich davon aus, dass der Schrittmacher in den nächsten Jahren als neues medizinisches Gerät auf den Markt kommt“, sagt Prof. Hagen.