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Göttingen
ROBO3-Rezeptor vermittelt Therapieresistenz und Metastasierung
Die Diagnose „Bauchspeicheldrüsenkrebs“ ist immer noch mit einer schlechten klinischen Prognose verbunden. Zum Zeitpunkt der Diagnose weisen die meisten Patient*innen bereits ein fortgeschrittenes Stadium auf und eine kurative Therapie durch chirurgische Entfernung des Tumors ist nicht mehr möglich. Bei metastasiertem Bauchspeicheldrüsenkrebs ist die Chemotherapie das Mittel der Wahl. Doch die Mehrheit der Patient*innen ist gegen die derzeit verfügbaren Chemotherapien resistent. Die Behandlung wirkt häufig nicht ausreichend und nicht langfristig. Weniger als neun Prozent der Patient*innen überleben die folgenden fünf Jahre nach der Diagnose. Neue Entwicklungen zur Therapie des metastasierenden Bauchspeicheldrüsenkrebses gehen daher weg von allgemeingültigen Chemotherapieschemata hin zu zielgerichteten und personalisierten Therapien je nach molekularem Subtyp des Krebses oder zielen auf spezifische Signalwege.
Göttinger Forscher*innen der von der Deutschen Krebshilfe geförderten Max-Eder-Nachwuchsgruppe in der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) unter der Leitung von Dr. Shiv K. Singh suchen gezielt nach spezifischen Markern, die für personalisierte Therapieansätze bei Subtypen des Bauchspeicheldrüsenkrebs verwendet werden können. In ihren neuesten Untersuchungen decken sie jetzt erstmals eine funktionelle Rolle des „Roundabout-Axon-Guidance-Rezeptors 3“, kurz ''ROBO3'', bei der Metastasierung und Chemoresistenz von Bauchspeicheldrüsenkrebs auf.
Die Göttinger Forscher*innen entdeckten, dass der ''ROBO3''-Rezeptor ein hochinvasives und metastatisches Tumorprofil bedingt. Zudem fanden sie heraus, dass diese Eigenschaften der Tumore durch die genetische Hemmung von ROBO3 sowie den Einsatz eines Medikaments zurückgedrängt werden können. Das Medikament greift in das ROBO3 vermittelte Signalnetzwerk ein und wird bereits in klinischen Studien getestet. Seine Wirksamkeit zeigte sich insbesondere in Bauchspeicheldrüsentumoren mit hoher Genexpression von „ROBO3“. Die präklinischen Studien wurden im Rahmen der Promotion von Erstautor Niklas Krebs, Doktorand und Arzt in der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie der UMG durchgeführt. Die Erkenntnisse eröffnen nun einen vielversprechenden Ansatz zur Risikoabschätzung von Tumoren im fortgeschrittenen Stadium. Die Forschung wurde durch die Deutsche Krebshilfe, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (KFO5002) sowie die Wilhelm-Sander-Stiftung gefördert. Die Ergebnisse wurden am 22. August 2022 im Journal of Clinical Investigation Insight JCI Insight veröffentlicht.
Originalveröffentlichung: Axon-Guidance Receptor ROBO3 Modulates Subtype Identity and Prognosis via AXL-associated Inflammatory Network in Pancreatic Cancer. Niklas Krebs, Lukas Klein, Florian Wegwitz, Elisa Espinet, Hans Carlo Maurer, Mengyu Tu, Frederike Penz, Stefan Küffer, Xingbo Xu, Hanibal Bohnenberger, Silke Cameron, Marius Brunner, Albrecht Neesse, Uday Kishore, Elisabeth Hessmann, Andreas Trumpp, Philipp Ströbel, Rolf A. Brekken, Volker Ellenrieder and Shiv K. Singh. JCI Insight, DOI: doi.org/10.1172/jci.insight.154475.
Zur Studie
Aus klinischen Studien ist bisher bekannt, dass eine hohe Expression von „ROBO3“ mit einer schlechten Prognose bei Patient*innen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs verbunden ist. Die zugrundeliegenden Mechanismen der durch das Gen ROBO3-vermittelten Merkmale und der möglicherweise damit verbundenen Vulnerabilität sind jedoch noch weitgehend unklar.
Die Göttinger Forscher*innen untersuchten, wie die Signalgebung des Axon-Guidance-Rezeptors ROBO3 in einem Subtyp-spezifischen Kontext die schlechte Prognose innerhalb einer definierten Untergruppe von Bauchspeicheldrüsenkrebs-Patient*innen bestimmt. Dabei konzentrierten sie sich auf die ROBO3-vermittelte molekulare Vernetzung sowohl in Bauchspeicheldrüsenkrebszellen als auch in der entzündlichen Mikroumgebung des Tumors.
„Wir wollten wissen, ob eine hohe Expression von "ROBO3" eher mit dem klassischen Subtyp von Bauchspeicheldrüsenkrebs verbunden ist, der eine bessere Prognose hat und sensitiv auf Chemotherapie ist, oder ob eine solche Expression eher mit dem basal-ähnlichen Subtyp assoziiert ist“, sagt Dr. Shiv K. Singh, Letztautor der Veröffentlichung. Dafür untersuchten die Forscher*innen Sequenzierungsdaten aus Proben von Bauchspeicheldrüsenkrebs-Patient*innen. Sie fanden heraus, dass die Axon-Leitungssignalwege ausschließlich in den basal-ähnlichen Tumoren angereichert waren. Insbesondere die ROBO3-Expression war in den verschiedenen Datensätzen von Patient*innen beim basal-ähnlichen Subtyp signifikant höher. Der basal-ähnliche Subtyp gilt als besonders stark metastasierend, weist eine schlechte Prognose und eine hohe Therapieresistenz auf.
„Wir konnten die Verbindung zwischen der ROBO3-Signalübertragung in Tumorzellen und den entzündungsregulierenden Faktoren nachweisen, die das hochgradig metastatische Verhalten des basal-ähnlichen Subtyps fördern“, sagt Niklas Krebs. Die genetische Hemmung von ROBO3 verringerte die Invasivität der Tumorzellen und die Metastasierung signifikant. Sie führte darüber hinaus zu einem besseren Ansprechen auf die Chemotherapie bei Bauchspeicheldrüsentumorzellen des basal-ähnlichen Subtyps. „Dies deutet auf eine funktionelle Rolle von ROBO3 bei der Aufrechterhaltung des aggressiven basal-ähnlichen metastatischen und therapieresistenten Subtyps von Bauchspeicheldrüsenkrebs hin", so Dr. Singh.
Trotz hoher ROBO3-Expressionen in Bauchspeicheldrüsentumorzellen gibt es derzeit keine pharmakologischen Hemmstoffe, die gezielt auf den Axon-Guidance-Rezeptor ROBO3 abzielen. Um die Funktion von ROBO3 im Bauchspeicheldrüsenkrebs trotzdem zu verstehen, verwendeten die Forscher modernste Sequenzierungs- und Proteomik-Technologien. Sie fanden heraus, dass der inflammatorische Transkriptionsfaktor (pSTAT3) und die Rezeptor-Tyrosin-Kinase (AXL) für die ROBO3-vermittelten basal-ähnlichen Metastasierungsprogramme bei Bauchspeicheldrüsenkrebs verantwortlich sind. Darüber hinaus konnten Dr. Singh und sein Team einen klinischen Hemmstoff identifizieren, der potenziell auf das ROBO3-AXL-pSTAT3-Signalnetzwerk abzielt: Die gezielte Hemmung des ROBO3-vermittelten Signalnetzwerks unter anderem mit dem sogenannten AXL Hemmstoff (BGB324) in Kombination mit Chemotherapie führte in Tierversuchen zu einer Verminderung von Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum (Aszites), verringerte Lebermetastasen und stellte die Chemosensitivität bei basal-ähnlichem Bauchspeicheldrüsenkrebs wieder her.
„Diese neuen therapeutischen Strategien die auf das ROBO3-AXL-pSTAT3 vermittelte Signalnetzwerk abzielen, könnten das Ansprechen auf die Chemotherapie verbessern und eine bessere Prognose bei Patient*innen mit hochaggressivem basal-ähnlichen Bauchspeicheldrüsenkrebs bieten. Daher stellen unsere Erkenntnisse einen vielversprechenden Behandlungsansatz für diese Untergruppe von Bauchspeicheldrüsenkrebs-Patient*innen dar“, sagt Dr. Singh.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie
Max-Eder Nachwuchsgruppe
Dr. Shiv K. Singh
Tel.: 0551 / 39-8557, 39-22715
E-Mail: shiv.singh@med.uni-goettingen.de
Originalpublikation
Originalveröffentlichung: Axon-Guidance Receptor ROBO3 Modulates Subtype Identity and Prognosis via AXL-associated Inflammatory Network in Pancreatic Cancer. Niklas Krebs, Lukas Klein, Florian Wegwitz, Elisa Espinet, Hans Carlo Maurer, Mengyu Tu, Frederike Penz, Stefan Küffer, Xingbo Xu, Hanibal Bohnenberger, Silke Cameron, Marius Brunner, Albrecht Neesse, Uday Kishore, Elisabeth Hessmann, Andreas Trumpp, Philipp Ströbel, Rolf A. Brekken, Volker Ellenrieder and Shiv K. Singh. JCI Insight, DOI: doi.org/10.1172/jci.insight.154475.