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Österreichische Ärztekammer
Zu wenige Strahlentherapie-Geräte - monatelange Wartezeiten

"Immer öfter stehen wir Ärztinnen und Ärzte vor der Situation, Krebskranken völlig inakzeptable Termine anbieten zu müssen, obwohl wir wissen, dass solche Wartezeiten für diese Patienten lebensgefährlich sein können", sagte der Obmann der ÖÄK-Fachgruppe Radioonkologie-Strahlentherapie, Univ.-Doz. Robert Hawliczek Hawliczek. Dabei sei die psychische Belastung für diese Patienten noch gar nicht berücksichtigt, ergänzte der Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Strahlenbiologie und Medizinische Physik (ÖGRO), Univ.-Prof. Felix Sedlmayer.
Entwicklungsland Österreich - West-Ost-Gefälle
Laut Internationaler Atomenergiebehörde sei Österreich bei der strahlenmedizinischen Versorgung ein Entwicklungsland, erklärte Hawliczek: "Sieben Linearbeschleuniger kommen in Westeuropa durchschnittlich auf eine Million Einwohner, bei uns gerade einmal fünf. Gemäß Österreichischem Strukturplan Gesundheit müssten wir sogar 64 haben, tatsächlich strampeln wir uns mit 43 Geräten ab", so Hawliczek. Besonders schlimm seien die Engpässe in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland mit Wartezeiten bis zu sechs Monaten. In Wien baue man sogar Betten ab, sodass es nur noch im AKH Betten für schwierige Fälle gebe. Vorerst einzige gute Nachricht sei, dass die Stadt Wien jüngst beschlossen hat, zwei zusätzliche Linearbeschleuniger im SMZO zu installieren, womit die Wiener Bevölkerung theoretisch ausreichend versorgt wäre. Allerdings, so der ÖÄK-Experte: Ein Drittel der Bestrahlungspatienten kommt aus Niederösterreich und wurde nicht mit eingerechnet. "Und bis alle Geräte im Einsatz sind, werden noch mindestens weitere vier Jahre vergehen."
Rasante Fortschritte - steigender Bedarf - stagnierende Ressourcen
Vierzig Prozent aller von Krebs Geheilten verdankten ihr Leben ganz oder teilweise der Radioonkologie. Auch die Zahl der Patienten, denen die interdisziplinäre Onkologie trotz Tumors eine gute Lebensqualität ermögliche, sei viel höher als noch vor zehn Jahren. Das Bestrahlen sei schmerzlos, habe geringe Nebenwirkungen und erfolge organerhaltend, was aufwändige, oft auch verstümmelnde Eingriffe erspare. Kaum eine andere medizinische Disziplin entwickle sich so rasant. "Heute können auch hohe Strahlendosen präzise auf den Tumor abgestimmt werden, bei weit gehender Schonung des umgebenden Gewebes", sagte Univ.-Prof. Sedlmayer. Diese Fortschritte bedeuteten aber auch mehr Aufwand "die in den 1990er-Jahren geplante Leistungsdichte genügt nicht mehr".
Strahlentherapie wirksam, aber nicht lukrativ
Mangelnder politischer Wille ist für ÖÄK-Vizepräsident Steinhart Hauptursache für die Engpässe, es gebe aber auch einen strukturelle Grund: Spitäler könnten Bestrahlungen im Leistungsorientieren Krankenanstaltenfinanzierungssystem (LKF) nicht verrechnen oder, wie Steinhart formulierte: "Die Bestrahlung mag Patient X von seiner Krebserkrankung heilen und mit Gerätekosten von durchschnittlich 1200 Euro pro Patient auch äußerst günstig sein - dem Spital bringt sie kein Geld." Dass derselbe Patient bei fortschreitender Erkrankung - z.B. wegen zu langer Wartezeit - womöglich arbeitsunfähig werde, operiert werden müsse und so dem Gesundheits- und Sozialsystem viel mehr Kosten verursache, fließe in die betriebswirtschaftlich orientierten Kalkulationen der Gesundheitspolitiker leider nicht ein.
Voraussetzungen für adäquate Versorgung
Um die Erfolge der Krebsfrüherkennung nicht aufs Spiel zu setzen, brauche es zuallererst eine länderübergreifende Finanzierung von Geräten und qualifiziertem Personal sowie die Einführung einer angemessenen Honorierung der Strahlentherapie im Abrechnungssystem der Spitäler, erklärten ÖÄK-Vize Steinhart und Radioonkologie-Fachgruppenobmann Hawliczek. Um die radioonkologische Versorgung in Österreich auf westeuropäisches Niveau zu bringen, sei ein bundesweiter Versorgungsplan zu erstellen. Die Umsetzung solle sinnvollerweise in Regionen mit jeweils einem Zentrum erfolgen, mit dem mehrere dezentrale Satelliteneinheiten zur wohnortnahen Versorgung eng zusammenarbeiten sollten. Diese Einheiten könnten durchaus auch kassenfinanziert sein, da sie sich auf ambulante und routinemäßige strahlentherapeutische Leistungen konzentrieren würden.