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Modellprojekt ist der Beweis
Antibiotikaverbrauch lässt sich in Kliniken gezielt senken
Am Universitätsklinikum Freiburg konnten Wissenschaftler in einem Pilotprojekt zeigen, dass sich diese Strategie erfolgreich umsetzen lässt.
„Ein großes Problem ist derzeit vor allem der übermäßige Einsatz der so genannten Cephalosporine der dritten Generation und der Fluorchinolone – Antibiotika, die sehr wirksam sind, deren hoher Verbrauch aber mehrere spezielle multiresistente Problemkeime in Kliniken nach sich ziehen kann“, erklärt Prof. Winfried Kern vom Universitätsklinikum Freiburg. Kern forscht im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) im Bereich „Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Keime“ und ist Initiator des deutschen Antibiotic-Stewardship-Trainingsprogramms. Er ist überzeugt davon, dass sich die aktuelle Ausbreitung der gefürchteten Krankenhauskeime wie Clostridium difficile, Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme oder widerstandsfähige gram-negative Bakterien mit Antibiotic-Stewardship-Programmen eindämmen lässt. Gemeinsam mit Katja de With, inzwischen am Universitätsklinikum Dresden, setzte Kern ein intensives ABS-Programm in der Inneren Medizin des Universitätsklinikums Freiburg ein und konnte damit den Verbrauch der kritischen Breitband-Antibiotika in einem Jahr um etwa 30 Prozent senken.
„Dieses Ziel in der Inneren Medizin (300 Betten) einer insgesamt 1600-Betten umfassenden Universitätsklinik zu erreichen, war eine Herausforderung“, gibt Kern zu. Denn gerade in Universitätskliniken liegen Patienten mit schweren Erkrankungen und hohen Risiken, die nicht selten den Einsatz breit wirksamer Antibiotika notwendig machen. Das Antibiotic-Stewardship-Programm in Freiburg zielte darauf ab, den Verbrauch von Cephalosporinen und Fluorchinolonen zu reduzieren, während der Einsatz von Penicillinderivaten befürwortet wurde. „Penicillinderivate sind erfahrungsgemäß weniger riskant für die Bildung der aktuell Besorgnis erregenden resistenten Erreger in Kliniken“, erklärt der Studienleiter.
Das intensive ABS-Programm setzte auf Information, Schulung und Rückmeldung des Antibiotikaverbrauchs. Die internen Leitlinien wurden überarbeitet, Ärzte wurden geschult. Mit intensivierten Visiten, Konsilen und Besprechungen wurde sichergestellt, dass nicht nur die Botschaft ankam: „Gebt mehr Penicilline, gebt weniger Cephalosporine und Fluorochinolone“, sondern auch, dass individuell eine optimale Therapie durchgeführt wurde. Parallel dazu wurde der Verbrauch an Antibiotika sowohl im Vorfeld analysiert als auch während der Studie dokumentiert. Die Daten wurden in bestimmten Abständen statistisch so aufbereitet, dass Trends sichtbar wurden und mittels Zeitreihenanalysen gesichert werden konnten. Als Kontrolle dienten mehrere Abteilungen des Klinikums, auf denen das ABS-Intensivprogramm nicht durchgeführt wurde.
„Die Daten zeigten eindrucksvoll, dass das Programm nicht nur machbar, sondern auch sehr erfolgreich war“, freut sich Kern. Der Verbrauch der Cephalosporine und Fluorochinolone konnte um mehr als 30 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig stieg zwar der Verbrauch von Penicillinen an, das Pro-gramm führte jedoch zusätzlich zu Nettoeinsparungen, und zwar bezüglich Antibiotika-Gesamtverbrauch als Menge und auch Kosten. „Wir sehen in dieser Studie ein proof of concept; das Modell sollte – wenn es an einer Klinik der Maximalversorgung funktioniert – auch auf andere Kliniken übertragbar sein“, ist Winfried Kern überzeugt. Erste Auswertungen zeigen auch einen positiven Einfluss auf resistente Erreger. Im Rahmen des DZIF wird Kern weitere Antibiotic-Stewardship-Programme umsetzen. Bereits im Sommer startet in Berlin parallel dazu ein Programm, mit dem der Antibiotikaverbrauch in Arztpraxen reduziert werden soll.